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Das Gebot der Rache

Das Gebot der Rache

Titel: Das Gebot der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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sehr viel später, sollte einer der Therapeuten diagnostizieren, dass ich mir aufgrund der Unfähigkeit, zu meinen Eltern durchzudringen, die Aufmerksamkeit woanders beschaffte.
    Banny, Tommy und ich schlugen die Zeit tot, indem wir Fenster einwarfen oder Gärten verwüsteten – alles im Rahmen des Üblichen. Nachdem wir im Fernsehen die flammenden Molotowcocktails bei den Riots in Toxteth und Brixton gesehen hatten, stahlen wir einen Gummischlauch aus dem Chemieraum und zogen eines Nachts los, um Benzin aus Autotanks in leere Milchflaschen abzuzapfen. Ich hatte den Mund voll mit bitterem, öligem Benzin, musste würgen und mich übergeben, während Banny und Tommy sich kaputtlachten. Wir stopften alte Lappen in die Flaschen, warfen sie gegen die Wand der Kirche und sahen zu, wie die Flammen den weißen Rauputz hinaufleckten. Die Brandspuren waren noch Jahre danach zu sehen. Sie waren unser Werk.
    Ich warf den Frosch von der Überführung auf den Wagen darunter. Ich übte das Luftgewehrschießen an dem Jungen auf dem Rad. Ich versenkte die Schuhe des kleinen Mädchens im Teich. Ich bat die Frau in der Frittenbude um einen Blick zwischen ihre Beine. Ich sagte dem Lehrer, er solle sich verpissen. Und als ich diese Dinge tat, als ich hörte, wie die Jungs lachten und applaudierten, da spürte ich, dass sie mich akzeptierten. Ich spürte die Zuneigung in ihrem Blick.
    Ja, ich spürte ihre Liebe.
    * * *
    Ich parkte den Wagen in der großen Garage und schaltete den Motor ab. Das Licht der Scheinwerfer ruhte auf den an der Rückwand gestapelten Umzugskartons – Haushaltsgegenstände und Kleider, Zeug, das wir nicht mehr nutzten, ausrangiert für die Kleiderkammer und Benefizflohmärkte. Ich atmete tief durch. Die ganze Rückfahrt über hatte ich eine ängstliche Nervosität verspürt, sodass mir jedes Scheinwerferpaar, das im Rückspiegel auftauchte, Gefahr zu bedeuten schien. Noch während ich durch den kalten, leeren Gasbetonraum zu der Tür eilte, die zum Haus führte, blickte ich mich immer wieder nervös um.
    Irene saß, die Füße unter den Po gezogen, in unserem großen Wohnzimmer im Lichtkegel der Leselampe und war in ein Buch vertieft. Als ich eintrat, hob sie den Blick. »Hallo, Donnie.«
    »Na, Irene, wie hat er sich geschlagen?«
    »Ganz tapfer, der kleine Engel. Er ist gleich nach Ihrem Anruf ins Bett gegangen. Seitdem habe ich keinen Mucks von ihm gehört. Waren die Straßen in Ordnung? Sieht aus, als würde da draußen kräftig was runterkommen.«
    »Kein Problem. Es war bereits gestreut.«
    Ich ließ mich neben ihr auf das riesige Sofa fallen und lockerte meine Krawatte.
    »Und, wie war die große Party dieses Jahr?«, fragte Irene fast mädchenhaft. In ihren Augen gehörten Sammy und ich zur Lokalprominenz, sie fand unser beider Leben unglaublich glamourös. Irene hingegen ging niemals aus.
    Ich zog eine Grimasse. »Diese Feiern sind einfach nicht mein Ding.«
    »Wer war denn alles da?«
    »Oh, die üblichen Verdächtigen – Politiker und Geschäftsleute. Wissen Sie was, ich gönne mir jetzt einen kleinen Schlummertrunk. Möchten Sie auch?«
    »Bloß ein Ginger Ale, wenn Sie welches da haben.«
    »Ach, kommen Sie, Irene. Gönnen Sie sich mal was.« Dieser Song, der im Sommer 1982 immer im Radio lief, gleich nachdem alles passiert war …
    Sie lachte. »Das ist so gar nicht meine Art, Donnie. Das wissen Sie.«
    Ich ging zu der vollen Bar in der Ecke hinüber und griff unter der Spüle aus rostfreiem Stahl in den kleinen Kühlschrank, hinter dessen Glastür sich Bier, Wein und Softdrinks stapelten. Ich nahm eine Dose Canada Dry für Irene heraus. Dann öffnete ich die Doppeltür des Kabinettschranks über der Spüle. Dahinter reihte sich Spirituose an Spirituose, von Amaretto über Campari bis hin zu verschiedenen Malt-Whiskys. Hinter mir stieß Irene einen beeindruckten Pfiff aus. »Junge, Junge«, staunte sie, »damit könnten Sie ja einen Schnapsladen eröffnen.«
    »Ja, Sammy sorgt dafür, dass die Bar immer voll ist«, sagte ich, während ich eine Flasche Macallan entkorkte. Ich nahm an, dass sie das von ihren Eltern übernommen hatte. Es gehörte in diesen Kreisen wohl zum guten Ton. Ich goss einen kräftigen Schuss Whisky in ein Kristallglas. Der Eiskübel war leer. »Möchten Sie Eis, Irene?«
    »Nein danke, machen Sie sich nur keine Umstände.«
    Ich füllte einen kleinen Krug mit Wasser, gab einen Spritzer davon in meinen Whisky und brachte die Drinks zum Sofa. »Mmm«, brummte Irene, als sie an

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