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Das Gebot der Rache

Das Gebot der Rache

Titel: Das Gebot der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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sie Dinge, die meine Eltern niemals taten. Bis spät in die Nacht hörten sie laute Musik, es gab ständig Streitereien mit den Nachbarn, jedes Wochenende waren Partys angesagt. Besonders in der Bude seines Dads, der Kumpels hatte, die freitagabends bei ihm einzogen und erst in den frühen Morgenstunden des Montags wieder verschwanden.
    Seine Mutter war die Schlimmere von beiden. Sie ging abends aus, übernachtete bei Freunden und ließ Banny mit seiner kleinen, elfjährigen Schwester allein. Was immerhin bedeutete, dass Tommy und ich zu ihm rübergehen konnten. Wenn man durch die Haustür trat, fiel einem zuerst der Geruch auf: klamm und muffig, wie feuchte Haferkekse. Auf dem abgenutzten Teppich im Flur trafen sich drei ausgetretene, deutlich sichtbare Pfade: Einer führte in die Küche, einer ins Wohnzimmer und einer zur Treppe. Die Laken und Decken auf Bannys Bett – das Tommy und ich uns teilten, während er im Bett seiner Mutter schlief – waren zerfleddert, dünn und feucht. Außerdem war es selbst im Frühjahr sehr kalt im Haus. Es gab keine Zentralheizung, sondern nur drei kleine Heizöfen, zwei im Erdgeschoss und einen im Schlafzimmer seiner Mutter. Als ich das erste Mal dort übernachtete, fragte mich Banny, ob ich eine Wärmflasche wolle. Er brachte mir eine mit kochendem Wasser gefüllte Cola-Flasche. Das Glas war so heiß, dass man nicht mit dem nackten Bein dagegenkommen durfte. Tommy und ich stimmten darin überein, dass Bannys Haus »eklig« war. Aber natürlich behielten wir das für uns.
    Bannys Mutter hatte als eine der Ersten in unserem Kaff einen Videorekorder. Ihre Nachbarin, eine ausgemergelte, gebrechliche Frau, die von allen nur »die alte Joan« genannt wurde, besorgte uns bereitwillig im Schnapsladen Alkohol, meistens eine Halbliterflasche Smirnoff und ein Sixpack Kestrel. Nach ein paar Wodkas gemischt mit Cola oder Limonade und einer Büchse Bier erschien uns das Haus wärmer und heller, wenn wir es uns gemütlich machten, um The Boogeyman , Ich spuck auf dein Grab , Brennende Rache oder manchmal auch einen Porno zu glotzen, den wir uns von Bannys Dad geliehen hatten. Dabei lachten wir und witzelten herum – außer bei gewissen Stellen in den Sexfilmen. Da wurde es dann plötzlich sehr still im Zimmer. Man hörte sich selbst atmen und spürte den klopfenden Puls im Schritt.
    Sämtliche Details – die unbeaufsichtigten Teenager, der Alkohol, die gewalttätigen und pornografischen Videofilme – sollten später vor Gericht noch ausführlich dargelegt werden.
    Im Gegensatz zu seiner Mutter, die uns rauswarf, wenn ihre Freundinnen zu Besuch kamen, schien Bannys Dad sich nicht an unserer Gegenwart zu stören. Wir nannten ihn beim Vornamen, Jim, nicht Mr. Bannerman. Von allen Erwachsenen war er der Einzige, der das zuließ. Als wir dreizehn waren, erlaubte er uns hin und wieder, bei seinen Partys dabeizusitzen, ein paar Flaschen Bier aus den Kästen auf dem Küchenboden abzuzweigen und im Wohnzimmer zu bleiben, wo auf dem Fernseher in Endlosschleife Pornos liefen. Manchmal kamen auch Mädchen zu diesen Partys, aber meistens waren da einfach nur ein Haufen Kerle sowie Banny, Tommy und ich.
    Eines Abends ergänzten wir die paar Flaschen Bier um eine Flasche Whyte & Mackay und soffen uns richtig die Hucke voll. Bis zum Anschlag. Ich weiß noch, wie ich durch den Flur taumelte, auf der Suche nach dem Klo, auf der Suche nach irgendetwas, in das ich reinkotzen konnte. Aus dem Wohnzimmer dröhnte »Antmusic« von Adam & The Ants, übertönte den Lärm der Gespräche, das Gelächter, das Stöhnen des Pornos. Vor mir sah ich Banny aus einem der Schlafzimmer kommen. Seine Augen waren feucht und gerötet. Er schaute mich nicht an, sondern blickte starr geradeaus. Ich hastete ins Bad, eine Hand vor dem Mund, um den billigen Scotch daran zu hindern, meinen Mageninhalt vorzeitig hinauszubefördern. Da sah ich aus dem Augenwinkel zwei Gestalten in dem abgedunkelten Raum. Es war nur ein sehr flüchtiger Blick, während ich aus dem düsteren Flur ins grelle Licht des Badezimmers torkelte. Aber ich erkannte Bannys Dad. Er steckte sich das Hemd in die Hose und zog sich den Gürtel zu.
    Einmal, ein paar Wochen nach diesem Abend, war ich kurz davor, es Tommy gegenüber zu erwähnen. Banny hatte die Grippe, deshalb waren wir an jenem Nachmittag nur zu zweit. Wir schlenderten runter zur Spielhalle und machten Witze darüber, wie schwer es war, richtig zu pinkeln, wenn man einen Ständer hatte.
    »Allerdings«,

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