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Das Gebot der Rache

Das Gebot der Rache

Titel: Das Gebot der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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würden wir dann weitersehen. Kein Grund, sich Sorgen zu machen.
    Ich ging zum Panoramafenster hinüber und blickte hinaus auf die Straße, wo sich ein paar Scheinwerfer langsam vorwärts tasteten. Sie passierten das Haus und wurden zu roten Rückleuchten. Ein orangefarbenes Licht begann zu blinken, und an der nächsten Abzweigung bog der Wagen ab: Irene, die von irgendwo nach Hause zurückkehrte. Die Straßen waren also auch hier noch befahrbar. Ich blickte auf die Uhr und sah, dass es kurz nach fünf war. Ich beschloss, schon mal mit dem Kochen anzufangen. Als ich die Flasche tiefroten Shiraz öffnete und mir ein Glas einschenkte, redete ich mir ein, dass ich den Wein für die Soße ohnehin aufgemacht hätte, und ignorierte die Stimme in meinem Kopf, die sagte: Ein Bier zum Essen? Wein um fünf? Du trinkst mehr als üblich. Du bist nervös – hab ich recht?
    Als das Wasser im Topf mit dem Reis zu kochen anfing und der Ofen hinter mir auf Temperatur war, zog ich das große Chefmesser viermal über die Oberseite jeder Entenbrust durch das Fett bis knapp ins Fleisch. In die Schnitte massierte ich Meersalz und chinesische Fünf-Gewürze-Mischung, dann rieb ich das Fleisch mit ein wenig Olivenöl ein. Währenddessen erhitzte ich die schwere orangefarbene Grillpfanne auf der vorderen Flamme, bis kleine Rauchkringel vom Pfannenboden aufstiegen. Als ich die Entenbrüste mit der Hautseite nach unten hineinlegte, zischte das Fett, und der Rauch stieg bis zur Dunstabzugshaube. Ich schaltete gerade den Sauglüfter an, als Walt in die Küche trottete.
    »Was gibt’s zu essen?«
    »Ente, quakquak. Hier, du kannst mir helfen.«
    »O nein. Bitte keinen Knoblauch schälen!« Nicht unbedingt Walts bevorzugte Souschef-Aufgabe.
    »Keine Angst.« Ich setzte den Dampfgareinsatz auf den Topf mit Reis und reichte ihm einen Beutel Spinat. »Mach den auf und kipp den Spinat in den Dampfgarer.«
    Walt betrachtete die große Tüte voller smaragdgrüner Blätter. »Wir sind doch nur zu dritt, Dad.«
    »Ich weiß. Sie fallen beim Kochen zusammen.«
    »Wann kommt Mommy zurück?«
    »Das wird vermutlich später werden, wegen des Wetters. Wir fangen einfach schon mal mit dem Essen an, wenn es fertig ist.«
    Ich nippte an meinem Wein und sah zu, wie mein Sohn linkisch den Spinat in den Topf schüttete. »Wie war’s in der Schule? Ist irgendwas Besonderes passiert?«
    »Josh Barrett hat sich wieder Ärger eingebrockt.«
    »Wie das?«
    »Er ist einfach ein Pimmellutscher.«
    »Walt! Sag so was nicht.«
    »Warum?«
    »Ich … weißt du überhaupt, was das bedeutet?«
    »So was wie Idiot oder so?«
    »Nein, also … sag es einfach nicht, verstanden?«
    Walt überlegte einen Moment, während er weiter Blätter in den Dampfgarer stopfte, wobei die Hälfte wieder herausfiel. »Darf ich Lutscher sagen?«
    »Nein, du kannst … Blödian sagen.«
    » Blödian ? Oje, Dad.«
    »Walt«, ermahnte ich ihn.
    »Na gut. Er ist ein Blödian. Was soll das überhaupt bedeuten?«
    »Ich glaube, das ist eine Mischung aus Blödmann und Idiot. Also, was hat Josh Hartlett getan?«
    »Josh Barrett . Na gut, also, du weißt doch, dass wir bei Miss McGovers keine Süßigkeiten im Unterricht essen dürfen. Na ja, und er hat … nein, warte, erst hat Alex Trower gesagt, er …«
    Und schon war Walt inmitten einer dieser wirren Geschichten, wie Achtjährige sie eben erzählen: ein Monolog voller Gedankensprünge, Abschweifungen und Nebenschauplätze. Charaktere tauchten genauso wahllos auf, wie sie wieder verschwanden, ohne dass sie für die geschilderten Ereignisse wirklich von Bedeutung waren. Dass am Ende dieser Erzählungen ein Fazit stand oder man irgendwelche relevanten Informationen erhalten hatte, war nicht zu erwarten. Es war … als würde man eines meiner Drehbücher lesen.
    Während ich mit halbem Ohr zuhörte, drehte ich die Entenbrüste mit der Grillzange um. Nach vier Minuten war die Haut schon herrlich knusprig. Ich gab ihnen ein paar Minuten auf der anderen Seite, legte sie dann auf ein Backblech und schob sie in den Ofen. Nach fünf Minuten würden sie schön rosa sein.
    »Dad?«, fragte Walt.
    »Was denn?«
    »Glaubst du, Herby hatte Schmerzen? Als das Auto ihn angefahren hat?« Walt sprach leise, ohne mich anzusehen, voll und ganz auf den Spinat konzentriert.
    Ich ging zu ihm und setzte das Weinglas ab. »Nein, mein Sohn. Ich glaube nicht. Er hat vermutlich gar nichts gemerkt.«
    Diese unter Todesqualen gefletschten Zähne.
    »Ich muss immer wieder an ihn

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