Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gebot der Rache

Das Gebot der Rache

Titel: Das Gebot der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
Vom Netzwerk:
von uns in Richtung Regina. Ein florierendes Städtchen, an dessen Hauptstraße, der Quintus Avenue, sich Buch- und Antiquitätenläden, Designerboutiquen, ein Starbucks, Clarkes Metzgerei, Hermanns Schreibwarenladen und ein Delikatessengeschäft, in dem wir unsere Oliven und den Prosecco kauften, aneinanderreihten. Es gab eine Handvoll beeindruckender Jahrhundertwende-Gebäude wie die ehemalige Bank (in der nun das Grange residierte, ein Luxushotel mit Steak- und Seafood-Restaurant), die alte Post und das Gericht.
    Ich erstand bei Hermanns einen Packen Kopierpapier und Druckerpatronen. Bei Starbucks trank ich einen Caffè Latte und las die Zeitung – es schneite noch immer, aber jetzt etwas sanfter. Die Menschen hasteten durch den Schnee, trugen in Papier geschlagene Pakete mit Fleisch aus der Metzgerei oder bummelten auf der Suche nach Kirschholzsekretären und Tiffany-Lampen die Schaufenster der Antiquitätenläden entlang. Ein Pärchen ging lachend vorbei, der junge Mann hatte seinen langen Schal um beider Schultern geschlungen. Autos parkten aus und fuhren vorsichtig an. Fast wie neugeborene Fohlen oder Kälbchen, die zitternd auf die Beine kamen, schlitterten sie unbeholfen auf die Straße hinaus und schlingerten durch den vereisten Schneematsch davon.
    Ich überlegte, was ich zum Abendessen kochen könnte. Entenbrust mit wildem Reis und Spinat. Ich könnte eine Soße dazu machen, die Pfanne mit einem Schuss Rotwein ablöschen und das Ganze am Ende flambieren – Walt liebte es, wenn ich das tat. Oder sollte ich beim Metzger vorbeigehen und etwas Speck oder Pancetta besorgen, um die Entenbrust darin einzuwickeln? Der Gedanke ans Kochen weckte meinen Appetit. Es war bereits nach eins, und ich hatte seit den Pfannkuchen nichts mehr gegessen. Auf der anderen Straßenseite sah ich das rot und blau leuchtende Neonschild von Dorian’s Bar & Grill und darunter, in Weiß, das Wort HAUSMANNSKOST .
    Noch während ich den Mantel an die Garderobe hängte und den Schnee von meinen Stiefeln klopfte, stieg mir der Duft aus der Küche in die Nase. Dorian’s war ein langer, niedriger Schlauch mit einer runden Mahagoni-Bar, die den Raum in zwei Hälften teilte. Im vorderen Bereich standen Tische mit roten Kunstlederbänken. Bunte Glasmosaik-Lampenschirme hingen über den Sitznischen und tauchten sie in grünliches Licht. Der hintere Teil bestand aus einem kleinen Tanzboden mit einer niedrigen Bühne, auf dem jetzt zwei Billardtische standen. Sie wurden zur Seite gerückt, wenn am Wochenende Bands auftraten. »Hallo, Donnie«, begrüßte mich Ben, der hinter seinen kupfernen Zapfhähnen stand. »Bin gleich bei dir.« Er stellte das frisch gezapfte Bier vor einer Gruppe von Stammgästen auf dem Tresen ab, die gerade ein Eishockeyspiel verfolgten. Ich erkannte ein paar von ihnen und nickte ihnen zu. Sammy und ich waren, nun, vielleicht nicht direkt Lokalprominenz, aber doch bekannte Gesichter. An einem Ort wie diesem brauchte es dazu nicht viel. Wenn man einen Schwiegervater wie Sam Myers hatte und der eigene Name gelegentlich in der Zeitung auftauchte, dann reichte das völlig aus. »Was darf’s denn sein?«, fragte Ben, der hinter der Bar hervorgekommen war und sich die Hände an seiner Schürze abwischte. Ben war Ende sechzig, und gemeinsam mit seiner Frau Kim betrieb er das Lokal schon seit über dreißig Jahren. »Seit Hitler Gefreiter war«, pflegte er zu sagen. Ben hatte krauses, schlohweißes Haar und trug eine Drahtgestell-Brille. Er hatte etwas von einem liebenswürdigen Professor.
    »Was ist denn das Tagesgericht?«
    »Wildragout. Kim lässt das Fleisch schon seit dem Frühstück in Rotwein köcheln.«
    »Gekauft. Und … ähm …« Ich zögerte, mein Blick wanderte zu den Softdrinks im Kühlschrank und wieder zurück zum Zapfhahn. »Ein Bier, bitte.«
    »Wir haben von eurem Hund gehört. Schreckliche Sache«, sagte Ben.
    »O ja. War nicht einfach für Walt.«
    »Das glaube ich gern. Wölfe, stimmt’s?«
    »Sieht zumindest danach aus.«
    »Sind auch schon ein paarmal an unseren Mülltonnen gewesen. Elende Quälgeister. Hier, bitte sehr …« Er reichte mir das kalte, beschlagene Glas. »Setz dich doch schon mal, Donnie. Ich bring dir das Essen rüber.«
    Da ich um diese Uhrzeit nur selten trank, stieg mir das Bier bereits nach zwei schuldbewussten Schlückchen zu Kopf und tauchte die Szenerie auf der Quintus Avenue in rosige Weihnachtsfarben. Vielleicht ist der Keller, in dem Welles den Laptop findet, ja mit einem

Weitere Kostenlose Bücher