Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gebot der Rache

Das Gebot der Rache

Titel: Das Gebot der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
Vom Netzwerk:
und ihr mit all meiner verbliebenen Kraft den Molotowcocktail entgegenschleuderte. Der Knall des Schusses in dem kleinen Betonhäuschen war ohrenbetäubend, und ich spürte einen Luftzug an der Wange, als die Kugel mich um Haaresbreite verfehlte. Die Flasche flog an ihrem Kopf vorbei und zersplitterte fauchend neben ihr an der Wand.
    Brennendes Benzin ergoss sich über ihr Haar, ihre Daunenjacke brannte sofort lichterloh. Sie schrie auf, wedelte mit den Armen. Wieder löste sich ein Schuss und hinterließ ein Loch im Dach. Aber ich war bereits losgerannt, zurück in den Umkleideraum, wo ich mir Walt griff und die andere Tür aufschloss, um in Richtung Haus zu sprinten.
    Mit schmerzenden Beinen durch den Schnee stampfend, schaute ich zurück und sah sie aus der Tür taumeln. Ihr Oberkörper glich einer lebenden Fackel. Ihr schreckliches, hohes Kreischen erstarb schlagartig, als sie sich mit dem Gesicht voran in den Schnee warf. Ihre Beine zuckten und traten um sich. Ohne mich noch einmal umzudrehen, stürzte ich auf das Haus zu.
    Wir kamen in den Hauswirtschaftsraum. Ich rannte weiter den Flur entlang, so schnell ich konnte, immer noch Walt über der Schulter, der mir im Adrenalinrausch federleicht erschien. Ich verschnaufte kurz und warf einen Blick in das Gästeschlafzimmer rechts von mir: Dort lag Officer Hudson rücklings auf dem sandfarbenen Teppich in ihrem eigenen Blut. Ihre Pupillen starrten ins Leere, ein lang gezogener Blutspritzer war auf der Wand über dem Bett. Sie hat ihr im Schlaf die Kehle durchgeschnitten. Walt schrie. »Nicht hinsehen«, sagte ich und hielt ihm die Augen zu. Sie war bis zur Hüfte entkleidet und trug nur einen schwarzen BH. Ich ging näher heran – nah genug, um zu sehen, dass ihr Holster leer und ihr Funkgerät verschwunden war. Ich verließ das Zimmer und rannte wieder los, den ganzen Weg bis zu meinem Büro, diesem Glaswürfel an der Seite des Hauses.
    Ich fischte die Schlüssel aus der Ramones-Tasse, verstreute überall Kleingeld und Büroklammern. Mit zitternden Händen öffnete ich die Schublade und holte die Automatik heraus. Als meine Finger sich um den geriffelten Griff legten, überrollte mich eine Woge der Erleichterung.
    »Daddy!«, schrie Walt hinter mir. »Sieh nur!«
    Ich drehte mich um. Mein Blick folgte seinem ausgestreckten Zeigefinger zum Poolhaus, wo die Werkstatttür, an deren Rahmen immer noch die Flammen leckten, im Wind hin und her schwang, und weiter zu der Stelle, wo sie in den Schnee gefallen war.
    Sie war verschwunden.
    Das Licht ging aus.

36
    Ich entsicherte die Pistole. »Bleib hier«, sagte ich zu Walt, »unter dem Schreibtisch.«
    Ich robbte den Flur entlang bis ins offene Wohnzimmer und schob mich auf dem glatten, polierten Parkett langsam vorwärts, die Waffe beidhändig vor mir ausgestreckt. Das Haus um mich herum lag in völliger Finsternis. Hinter uns gab es keine nach draußen führenden Fenster oder Türen, die sich öffnen ließen. Um zu uns zu gelangen, musste sie den riesigen Wohnbereich durchqueren – fünfzehn Meter ohne Deckung. Sie würde also entweder durch den Korridor kommen, der runter zu den Schlafzimmern und dem Keller führte, oder über die kurze Treppe zur Küche. Durch die gläserne Front fiel gerade genug Mondlicht herein, um etwas sehen zu können. Meine Hände zitterten, als ich die Pistole nervös von einem Zugang zum anderen schwenkte. Ich würde warten, bis sie den Raum betreten hatte, und dann das ganze verdammte Magazin in sie hineinjagen.
    Von oben hörte ich ein entferntes, gequältes Jaulen, wie ein unterdrückter Schmerzensschrei. Ich versuchte, ruhig zu atmen, spürte mein Herz gegen das Parkett hämmern. Minuten verstrichen in völliger Stille.
    Dann öffnete sich oberhalb der Treppe die Küchentür, und da war sie. Zögernd kam sie die Stufen hinunter. Mit der linken Hand stützte sie sich an der Wand ab, in der rechten hielt sie immer noch den Revolver. Im Halbdunkel konnte ich erkennen, dass ihr halber Kopf weiß war. Sie sah aus wie ein Wattestäbchen. Nun begriff ich auch die Ursache des Schreis: Sie hatte ihr verbranntes Gesicht verarztet, es mit Mull verbunden, vielleicht ein Antiseptikum aufgetragen. Als Walts Babysitterin wusste sie, wo alles zu finden war. Ich ließ sie bis zum Fuß der Treppe gehen und ein paar Schritte in den Raum hinein machen, bis sie noch etwa zehn Meter von der Stelle entfernt war, wo ich hinter der Couch lag. Meine Waffe war nun exakt auf ihre Brust gerichtet. Es herrschte

Weitere Kostenlose Bücher