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Das Gebot der Rache

Das Gebot der Rache

Titel: Das Gebot der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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gefickt.« Tommy war auch da. An seiner Kehle klaffte eine große Wunde, Blut lief ihm aus den Mundwinkeln. Nur das Weiße seiner Augen war zu erkennen, keine Pupillen, keine Iris, nichts als entsetzliches, leeres Weiß, als er sein grausames, bellendes Lachen lachte. Ich sah meine Eltern vor mir, wie sie schweigend vor dem Fernseher saßen. Die King-Billy-Tätowierung meines Vaters, Fetzen der Oranier-Hymnen, die er zu singen pflegte, wenn er betrunken war, schwirrten mir durch den Kopf: »Einem Nönnchen hat er beigelegen, da durchbohrte ihn King Billys Degen.« Dann verwandelte sich das Lied in Duran Durans »Hungry Like A Wolf«, und Herby kam durch den Schnee auf uns zu. Um seinen Hals hing ein kleines Fässchen, wie in den alten Zeichentrickfilmen, die sonntagmorgens immer im Fernsehen liefen, als ich noch klein war. Doch als Herby näher kam, sah ich, dass es nur die vordere Hälfte des Hundes war: Das Ding schleppte sich mühsam mit den Vorderläufen voran und zog dabei einen glänzenden Schwanz aus Innereien und eine dicke Blutspur hinter sich her. Dann, von einem Moment auf den anderen, standen wir im hellen Sonnenschein, umweht von Frühlingsluft, und ich war wieder am Flussufer, beinahe dreißig Jahre zuvor. Aber diesmal hielt ich einen glitzernden Revolver in der Hand, mit dem ich auf Banny zielte. Diesmal würde ich alles verhindern können – ihn stoppen, mich stoppen. Doch obwohl ich die Waffe auf ihn gerichtet hatte, kam er weiter auf mich zu, als ich den Abzug betätigte. Die Patronen ( Bafronen, Bafronen! ) rutschten einfach aus dem Lauf und plumpsten zu Boden. Ohne Schaden anzurichten, rollten sie klackernd über den Beton. Egal, es war warm und sonnig. Ich fühlte mich betrunken, trunken vor Glück. Und dann wurde mir bewusst …
    … dass ich gerade an Unterkühlung starb.
    Ich klappte im Schnee zusammen. Walt fiel auf mich, sein kleiner Körper unter der Jacke war das Einzige, was mir Wärme spendete. Plötzlich spürte ich den unwiderstehlichen Drang, mich einfach in den Schnee zu rollen, mich einzugraben, das weiße Laken über mich zu ziehen und in einen tiefen Schlaf zu fallen. Ich hatte aufgehört zu zittern. Ich lag flach auf dem Rücken, starrte hinauf in die tanzenden Schneeflocken und zog meinen Sohn zu mir heran. Walts Lippen waren blau, seine Haut beinahe durchsichtig, die Augen leicht geöffnet und glasig – tot. Komm schon, Walt. Los doch, kleiner Mann. Nimm meine Hand. Du wirst nichts spüren. Lass uns gehen. Lass uns zu Mommy gehen.
    Und dann erschien Craig Dochertys Gesicht über uns am Himmel: Gewaltig, Furcht einflößend und grinsend kam es auf uns herab. Da waren keine Augen, nur große Knäuel rosafarbener Würmer, die sich feucht glänzend in den leeren Höhlen wanden und wie Tentakel nach uns griffen. Ein winziger Krebs krabbelte aus seiner Nase in seinen Mund, der sich lachend öffnete.
    Nein. Den Teufel werden wir tun, hier im Schnee zu sterben.
    Ich stemmte mich auf die Beine, warf mir Walt wieder über die Schulter und setzte einen Fuß vor den anderen.
    Nachdem ich frierend ein paar Hundert Meter weitergestolpert war, konnte ich es vor mir durch den Blizzard sehen. Anfangs war ich mir nicht einmal sicher, was es war. Ich hielt es zunächst für ein weiteres Trugbild, einen grausamen Trick des dräuenden Wahnsinns – bis ich die kalte Wand berührte. Es war unser Poolhaus. Durch das Schneegestöber konnte ich die matten gelben Lichter des Haupthauses erkennen. Wir mussten beinahe eine Meile gelaufen sein, die ganze Strecke bis zu unserem Grundstück. Ich drückte die Tür auf, und wir fielen durch eine fast ein Meter hohe Schneewehe ins Innere.

34
    Auf dem rauen Betonboden im Werkstattbereich des Poolhauses ausgestreckt, kam ich langsam zu Atem, während meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten. Ich konnte die Umrisse verschiedener Maschinen und Geräte um mich herum ausmachen: den großen Benzinrasenmäher, das Schneemobil, den alten Gasgrill. Das einzige Licht im Raum kam von einem kleinen grünen Quadrat in der Ecke knapp über dem Boden: die Betriebsleuchte der Tiefkühltruhe. Da es nur im Sommer genutzt wurde, war das Gebäude unbeheizt. Aber irgendwo dort drüben stand ein kleines elektrisches Heizöfchen, das Danny manchmal benutzte, wenn er hier draußen zu arbeiten hatte. Walt lag auf der Seite, sein Atem ging flach, sein Kopf hing schlapp herab. Ich kroch durch den Raum, holte den Heizofen, schloss ihn an und schaltete ihn ein, worauf sich ein rotes

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