Das gebrochene Versprechen

attraktive Brünette — deren jugendliche
Erscheinung darüber hinwegtäuschte, dass sie fünffache Großmutter war — eine
ihrer Winstons anzünden. »Nichts wirklich Weltbewegendes«, sagte sie, »aber ich
bin da immerhin vielleicht auf eine Verbindung zwischen Terriss und Curtin
gestoßen. Ich fange mal mit ihr an.«
    Ich nahm Notizblock und
Bleistift. »Okay, bin so weit.«
    »Nach einmütiger Aussage aller,
mit denen ich geredet habe, war sie eine ziemliche Einzelgängerin. Keine
nennenswerten Freundschaften, einmal eine Beziehung zu einem jungen Mann, aber
das war schon längst abgekühlt, als sie von hier wegging. Keinerlei Kontakte zu
Kollegen oder Nachbarn. Lebte allein in einer armseligen Trailersiedlung
nördlich der Stadt, in Pflugerville, in einem gemieteten Trailer, etwas über
vier Jahre, von Februar achtundachtzig bis April zweiundneunzig. Zahlte die
Miete bar und pünktlich. Stellte sich den Leuten nebenan nicht mal vor. Hatte
nie irgendwelchen Besuch, bis auf den Freund — der Drummer ihrer damaligen Band
— , und auch der ward ab der Vorweihnachtszeit einundneunzig nicht mehr
gesehen. Sie verschwand dann Ende April, ohne zu kündigen, und ließ den größten
Teil ihrer Sachen da.«
    »Konnten Sie einen Blick drauf
werfen?«
    »Nein. Der Vermieter hat sie
ein Jahr eingelagert und dann entsorgt.«
    »Hatte irgendjemand eine
Ahnung, woher sie stammte?«
    »Niemand. Sie sprach nicht über
sich — und auch sonst nicht viel.«
    »Und die Band? Konnten Sie die
finden?«
    »Hat sich vor zwei Jahren
aufgelöst und in alle Winde zerstreut. Der Exfreund, Tod Dodson, soll in
Nashville sein, und ich arbeite dran, ihn aufzuspüren. Insgesamt ist die Band
fünf, sechs Jahre in und um Austin herumgetingelt, spielte in Schuppen wie dem
Broken Spoke, dem Yellow Rose und dem Dallas West, aber in der Zeit, als die
Terriss bei ihnen gesungen hat, waren sie vor allem in der Sunset Lodge am Lake
Travis. Netter Laden, viele lokale Musiker fangen dort an und steigen dann auf.
Der Barmann erinnert sich an die Terriss, weil er scharf auf sie war, aber sie
wollte nichts von ihm wissen.«
    »Wegen ihres Freunds?«
    »Nein, das war da schon vorbei.
Er meint, sie war sich zu gut für ihn, wartete auf den Märchenprinzen — und der
kam dann offenbar auch.«
    »Ach?«
    »Jawohl. Eines Freitagabends
waren Ricky Savage und seine Band in Austin, zu einem Konzert. Hinterher kamen
sie noch in die Lodge, um die Spätshow zu sehen. Danach ist sie mit ihnen verschwunden,
ohne ihrer Band auch nur Bescheid zu sagen. Die Jungs trieben einen Ersatz auf,
und als sie drei Tage später wiederkam, war sie gefeuert. Noch in derselben
Woche verließ sie ihren Trailer und erschien auch nicht mehr bei ihrem
Brotjob.«
    »Was war das für ein Job?«
    »Bedienung in Babe’s
Restaurant, beim Flughafen. Sie war nicht besonders gut, machte jede Menge
Fehler und war schnippisch zu den Gästen, als fände sie die Arbeit unter ihrer
Würde. Niemand war traurig, als sie weg war.«
    »Ich nehme an, an ihre
Sozialversicherungsnummer sind Sie nicht drangekommen?«
    »Nein. Sowohl Babe’s als auch
die Lodge sind solide Betriebe und sehr heikel mit solchen Informationen. Ich
habe aber jemanden bei der Kraftfahrzeugbehörde dazu gekriegt, unter dem
Kennzeichen nachzusehen. Die Anmeldung lief im Herbst nach ihrem Verschwinden
ab und wurde nie erneuert.«
    »Jenny, hat irgendjemand
angedeutet, dass sie psychisch instabil gewesen sein könnte?«
    »Niemand hat es so direkt
gesagt, aber etliche Leute haben durchblicken lassen, dass sie sie merkwürdig
fanden, und ihr Verhalten ist doch ein deutlicher Indikator.«
    »Sonst noch was?«
    »Na ja, jetzt zu Forrest
Curtin. Er ist aus Austin, hier geboren und aufgewachsen. Spielte schon seit
seiner High-School-Zeit bei verschiedenen hiesigen Bands; Leute, die was davon
verstehen, sagen, er war ein verdammt guter Musiker. Ging
neunzehnhundertneunzig nach Nashville, kam aber immer noch ziemlich oft
hierher; angeblich wegen einer Freundin, und spielte dann immer nochmal
gastweise mit seiner alten Band in der Lodge. Sie traten mehrmals im selben
Programm auf wie die Gruppe, bei der die Terriss sang. Also ist es eher
wahrscheinlich, dass sie sich kannten.«
    »Ist es möglich, dass sie die
Freundin war?«
    »Na ja, niemand hat die beiden
in Verbindung gebracht, aber ich habe bisher auch kein Indiz für das
Gegenteil.«
    Ich tippte mit dem Stift auf
den Block, spürte dieses Prickeln der Erregung, das einen überkommt,