Das gebrochene Versprechen
größten
Säufer und Ehefrauenverprügler der Stadt war. Meine Songs sind im Grund nur
Storys über mein Leben, die guten und die schlimmen Seiten. Aber ich singe
diese Storys auf Band, und plötzlich sind sie eine Ware und Hunderte von Leuten
versuchen, sich dranzuhängen und ihren Teil abzukassieren. Und ich kenne diese
Leute genauso wenig, wie sie mich kennen.«
Rickys Einschätzung seines
Anwalts und seines Managers war ähnlich wie die, die ich von Charlene gehört
hatte, nur um einiges zynischer, was Girdwood anging.
»Er würde mich gnadenlos
ausplündern, wenn er dächte, dass er damit durchkommen würde, was einer der
Gründe ist, weshalb ich einen professionellen Vermögensverwalter habe — der
mich ebenfalls gnadenlos ausplündern würde, wenn ich nicht ein Auge auf ihn
hätte. Aber zwischen Kurt und mir besteht eine Art Abkommen, seit ich ihn vor
Jahren mal mit den Fingern in meiner Tasche erwischt habe. Ich habe den Beweis
dafür in meinem Bankschließfach für den Fall, dass er je wieder etwas Ähnliches
versucht. Und einer der Gründe, warum er so nett zu Charly war, ist — auch wenn
sie’s nicht weiß — , dass zu dem Schließfach zwei Schlüssel gehören und einen
davon sie hat.«
Über Virgil Rattray wusste er
weniger Konkretes zu sagen. »Ich schätze, er ist einer von denen, die weder
Besitz noch Kreditkarten haben«, antwortete er auf meine Bemerkung, dass Keim
erstaunlich wenig über den Road-Manager zutage gefördert habe. »Er ist ein
merkwürdiger Typ. Älter als er aussieht, tauchte irgendwie eines Tages aus dem
Schlamm der Rockszene der Achtziger auf und stellte sich bei Kurt vor, sagte,
er wolle für mich arbeiten. Als Kurt fragte, warum, erklärte er, er sei der
Beste und wolle für den Besten arbeiten, und außerdem kriege er von Country
keine Migräne wie von Rockmusik. Wer weiß, was der wahre Grund war? Aber er ist
der Beste, ganz ohne Frage. Er wohnt in einem grässlichen Apartment in
Echo-Park — ich hab’s nie gesehen, aber Kurt — und fährt einen zerbeulten alten
VW-Käfer. Soweit ich weiß, hat ihn nie jemand von einer Frau reden hören — und
auch von keinem Freund. Hat’s mit Drogen, Alkohol, allem, aber nie so, dass es
außer Kontrolle gerät. Sehr, sehr merkwürdiger Typ.«
Was die Bandmitglieder betraf,
war unser Gespräch aufschlussreich. Es ergänzte die trockenen Fakten, die mir
die Kurzbiographien und Keims Recherchen geliefert hatten, zu einem
plastischeren Bild und rückte jeden der Männer in ein eigenes Licht. »Forrest
ist vermutlich der beste Musiker unter den vieren, aber er kokst massiv und
wird langsam unzuverlässig. War ein netter Junge, als wir ihn damals in
Nashville als Ersatz für Benjy aufgelesen haben — naiv und kulleräugig und
dankbar dafür, bei einer Spitzenband zu sein. Aber die Naivität macht ihn zur
leichten Beute für alles mögliche Gesindel. Wenn du zu ihm nach Hause kommst,
ist dort alles vermüllt und verdreckt, und die miesesten Schmarotzerund
Dealertypen sitzen dort rum und warten auf die Gelegenheit, ihn auszunehmen.
Ich werde ihn ersetzen müssen, wenn sein Vertrag im Herbst ausläuft.
Jerry dagegen sieht aus wie der
nette, harmlose Typ aus Shreveport. Will nur sein Dope, seinen Alk, seine Drums
und seine Frauen — in dieser Reihenfolge. Unkompliziert, ein bisschen dumm,
kaum je nüchtern. Stimmt’s? Stimmt nicht. Er ist kein Genie, aber er ist
schlau, und das ist in dieser Branche eine Siegereigenschaft. Bei Jer ist alles
Instinkt: Er spürt, wem er wie weit trauen kann, welche Immobilieninvestitionen
sich rentieren werden und welche nicht. Er übertreibt es nie mit dem Trinken
oder dem Dope; er ist vorsichtig mit seinen Weibern. Diesen netten, harmlosen
Typen nimmt so leicht keiner aus.
Tja, Norm — , der ist
komplizierter und ein Einzelgänger. Wenn er nicht arbeitet, ist er droben auf
dieser Ranch in Santa Barbara County, baut irgendwas an. Lebt dort mit einer
Frau namens Gina Robinson, mit der er schon mindestens fünf Jahre zusammen ist.
Als Paar halten sie sich total für sich; keiner von uns hat sie je gesehen. Er
war zweimal verheiratet, beide Frauen sind jung gestorben. Norm sagt nicht
viel, aber wenn man ihn genau beobachtet, vor allem bei unseren traurigeren
Songs, dann sieht man, dass die ganze Tragik in seinem Leben ziemlich schwer
auf ihm lastet. Schade, er ist nämlich diszipliniert und ein verdammt guter
Gitarrist; hätte richtig Karriere machen können, wenn sein privates Leid seinen
Ehrgeiz nicht
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