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Das gebrochene Versprechen

Das gebrochene Versprechen

Titel: Das gebrochene Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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werden.«
    Hy gluckste leise, aber Kessell
reagierte gar nicht; der Exmarine und — Chartergesellschaftsbetreiber hatte
absolut keinen Humor.
    Hinter mir ertönte jetzt der
Übertragung-beendet-Ton des Faxgeräts.
    »Okay«, fuhr Kessell fort, »um
sechs Uhr wiederholen Sie den Vorgang mit den Campleitern der Mädchen. Diese
werden um sechs Uhr fünfzehn abgeholt. Um zehn spätestens haben Sie Ihre
Familie am Lake Tahoe beisammen.«
    »Wieso dieses präzise Timing,
Dan?«, fragte ich. »Und warum sollen die Campleiter erst so kurz vorher
benachrichtigt werden?«
    »Die Kurzfristigkeit soll
verhindern, dass jemand in den Camps einen Außenstehenden warnen kann, dass die
Kinder weggebracht werden. Wir wissen nicht, wer hinter dieser Sache steckt,
also trauen wir besser niemandem. Und gerade Sie müssten doch wissen, dass
Präzision ein zentraler Grundsatz von RKI ist. Mrs. Savage, sind Sie sicher,
dass niemand von den Mitarbeitern Ihres Mannes von diesem Haus in Tahoe weiß?«
    Charlene grinste leise. »Davon
weiß nicht mal mein Mann.«
    »Okay. Jetzt sollten Sie wohl
Ihre älteren Töchter informieren und mit dem Packen beginnen. Und wir lassen
inzwischen das Unternehmen anrollen.«
    »Danke, Dan«, sagte ich.
    Charlene löste die Raumtontaste
und drehte sich zu mir. Sie sah gequält und müde aus. »Ich komme mir vor, als
nähme uns das FBI ins Zeugenschutzprogramm.«
    »Ach, das ist doch nur
vorübergehend. Bald ist alles wieder normal.«
    »Ach, ja?« Sie seufzte und ging
in Richtung Tür. »Ich frage mich, ob unser Leben je wieder normal sein wird.«
    Ich wartete, bis sie draußen
war, drehte mich dann um und riss das Fax aus dem Gerät.
     
    DU WEISST, WAS DU GETAN HAST!
     
    Knappe fünf Stunden später
stieß Ricky in der Diele zu mir, Seesack in der Hand, Kleidersack über der
Schulter. Er trat in den Türbogen zum Wohnzimmer und schaute in die
hereinbrechende Dämmerung jenseits der Fensterfront. In der Ferne war das Meer
mitternachtsblau, mit pink- und magentafarbenen Streifen.
    »Alles zu Ende hier, hm?«,
sagte er.
    »Ja.«
    »Meine Familie ist
untergetaucht, selbst die Hunde sind in der Hundepension.«
    »Hy lässt dir ausrichten, RKI
wird dafür sorgen, dass das Anwesen sicher ist.«
    »Das Anwesen! Wen, zum Teufel,
interessiert schon ein Haus, das auf Enttäuschung und Lügen gebaut wurde?«
    »Du weißt, dass das nicht die
Gesamtsumme eurer Ehe ist.«
    »Ich weiß«, sagte er. »Aber
daran erinnere ich mich am deutlichsten.«
    Schnurrendes Motorengeräusch
vom Parkplatz her und das Knirschen von Kies — die Limousine, die er bestellt
hatte, damit sie uns nach L.A. brachte. Ricky blieb noch einen Augenblick
stehen und drehte sich dann um. Sein Gesicht war so von Anspannung und
Erschöpfung gezeichnet, dass er um Jahre älter wirkte.
    »Lass uns gehen«, sagte er.
»Ich will nach Hause zu Red. Sie fehlt mir.«
     
     
     
     

18
     
    Jetzt war ich also allein —
allein in der gigantischen Badewanne und in der Suite, da Hy in letzter Minute
beschlossen hatte, mit Charlene und den Mädchen nach Tahoe zu fliegen und dort
zu bleiben, bis die ganze Familie sicher untergebracht war. Es war jetzt kurz
nach elf, und es würde noch Stunden dauern, bis er zurückkam. Dasselbe
Vermeidungsverhalten, das mir vorher schon aufgefallen war? Es schien
allerdings so. Früher wäre es unvorstellbar gewesen, dass Hy einem ruhigen
Abend mit mir einen langen Flug mit zwei mürrischen Teenagern vorzog und auch
noch eine längere Auspack-und-Eingewöhnungsphase, erschwert durch die
ungebärdige Präsenz der drei jüngsten Little Savages, auf sich nahm. Ich fühlte
mich zutiefst irritiert und irgendwie entwurzelt und wandte mich, wie ich es in
solchen Situationen meistens tat, meiner Arbeit zu.
    Ich ließ heißes Wasser
nachlaufen, schloss die Augen und begann, den Fall noch einmal Revue passieren
zu lassen — sowohl die Fakten als auch die möglichen Implikationen. Ricky und
ich waren auf der Fahrt hierher endlich zu unserem ausführlichen Gespräch gekommen,
und was er über seine Partner gesagt hatte, bestätigte mein Bild von einem
Schwarm parasitärer Fische, die ihn umkreisten, jeder Einzelne begierig darauf,
sich an ihm festzusaugen, um einen schnellen und profitablen Ritt zu ergattern.
    »Ist schon ein verrücktes
Leben«, gab er zu. »Ich bin mittendrin in diesem ganzen
Halsabschneidergeschäft, aber innerlich bin ich immer noch der Junge aus
Bakersfield, der es unbedingt schaffen will, weil sein Daddy einer der

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