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Das gebrochene Versprechen

Das gebrochene Versprechen

Titel: Das gebrochene Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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als potenzielle
Kindsväter in frage kamen. Unseligerweise fiel dieser Schock damit zusammen,
dass ich Doug Grayson kennen lernte, den ersten Mann in meinem Leben, der nicht
meine Bedürftigkeitspürte und unverzüglich ausnutzte. Doug führte mich vielmehr
zum Essen aus, lud mich ins Kino ein und machte wochenlang keinen Versuch, mich
zu berühren. Und ich war so verdammt dankbar, dass ich, in der irrigen
Vorstellung, er könnte mich irgendwie vor mir selbst retten, seine Frau wurde.
    Ich
war nie besonders schnell von Begriff, wenn es um zwischenmenschliche
Beziehungen ging, daher dauerte es fünf Jahre, bis ich kapierte, dass Doug meine
Bedürftigkeit deshalb nicht bemerkt hatte, weil er selbst noch viel bedürftiger
war. Fakt war: Ich hatte ein Kind geheiratet, das so egozentrisch war, dass es
einen Selbstmordversuch unternahm, als mein Job bei All Souls — das Einzige,
was uns vor dem Verhungern bewahrte — mit seinen Zuwendungsansprüchen
kollidierte.
    Nach
meiner Scheidung wuchs das Vakuum wie eine Krebsgeschwulst. Die paar
Beziehungen, die ich hatte, waren kurz, stürmisch und etwa so tief wie ein
Wüsten fluss im Juli. Schließlich gab ich es auf, die Leere füllen zu wollen,
und ließ sie einfach machen. Irgendwann würde sie mich eben fressen, na und?
    Komisch,
ich hatte kapituliert, und jetzt war Ricky plötzlich da. Ricky, der das alles
verstand, weil er selbst so ein Vakuum in sich hatte. Und in den letzten paar
Tagen hatten wir beide bemerkt, dass wir uns weniger hohl fühlten. Er wachte
nicht mehr mitten in der Nacht auf und dachte: Was fehlt da in mir? Ich fragte
mich nicht, wenn ich Shar und Ply sah: Warum sind sie es wert, geliebt zu werden,
und ich nicht? Und das Seltsamste von allem war dieser Song — »The Empty
Place«. Ein Song über uns beide, den er vor einem ganzen Jahr geschrieben
hatte.
    Ich
starrte aus den Fenstern der Limousine auf die Palmen und den verrückten,
bleichen Nachthimmel, und Tränen rannen mir über die Wangen. Die Leere war
immer noch da. Sie würde immer in mir sein, so wie Rickys Leere immer in ihm
sein würde. Aber wenn Ricky diese schreckliche Zeit, die jetzt vor uns lag,
überlebte, würden unser beider bedrohliche Vakuumschlünde wieder zu Bläschen
schrumpfen. Und wenn ihm etwas passiert, dachte ich, wird mich dieses Vakuum
einsaugen und vernichten, und es wird mich überhaupt nicht kümmern.
    Schließlich
sagte ich mir, dass ich aufhören musste zu weinen. Wie Ricky von sich gesagt
hatte: kein schöner Anblick. Ich setzte mich auf und wischte mir die Augen mit
dem Saum meines T-Shirts. So was Albernes — da fuhr ich in einer Limousine,
aber weit und breit kein Kleenex!
    Ich
gründelte nochmal in meiner Handtasche, in der Hoffnung, dass vielleicht ganz
unten drin noch ein gebrauchtes herumfuhr. Meine Finger berührten Shars Fax.
Etwas zu lesen. Um mich abzulenken, bis wir am Flughafen waren. Ich zog es
heraus und grabbelte nach einem Lichtschalter. Das Fax war von Jenny Gordon,
der Ermittlerin in Austin...
    »Ms.
Kelleher? Ihre Chartermaschine steht bereit, und wir sind in zwei Minuten in
LAX. Ich werde Sie begleiten, bis Sie sicher an Bord sind.«
    »Stornieren
Sie den Flug«, erklärte ich dem Fahrer »Ich möchte zurück ins Century Plaza.«
    »Aber
Mr. Savage hat gesagt —«
    »Mr.
Savage ist jetzt nicht hier, oder?«
    »... Nein,
Ma’am.«
    »Dann
bringen Sie mich bitte ins Hotel zurück — so schnell wie möglich.«

 
     
     
     
    Dritter Teil
    27. Juli 1995

 
     
     
     
     
    AMTRAK GRÜSST DIE MIDNIGHT
TRAIN TO NOWHERE- TOUR!
     
    IN LOS ANGELES BOYKOTTIERT:
    THE MIDNIGHT TRAIN TO NOWHERE
     
    RADIO KZLA BEENDET BOYKOTT:
    RAKETENSTART FÜR DEN MIDNIGHT
TRAIN.
     
    BALD WIRD DIE WELT WISSEN,
    WAS DU GETAN HAST!!!

22
     
    12 Uhr 01 Pazifik-Sommerzeit
    Obwohl ich rennen musste, wenn
ich den Zug noch kriegen wollte, bremste mich das letzte Transparent, das sich
durch die gewaltige Haupthalle von Union Station spannte, schlagartig. Wie die
anderen hing es zwischen zwei gigantischen Art-deco-Leuchtern, die aussahen,
als schwebten fliegende Untertassen zehn Meter über dem Marmorboden. Doch
anders als auf den Transparenten von Amtrak, der PR-Abteilung von Zenith und
dem UKW-Countrysender, der offenbar den Boykott aufgehoben hatte, war seine
Botschaft feindselig — und unangenehm vertraut.
    »O mein Gott«, murmelte ich.
    Die Menge hatte sich schon
weitgehend verlaufen, als ich ankam; nur noch ein harter Kern von Fans und ein
paar gestrandete Reisende

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