Das gebrochene Versprechen
Neue?«
Ich
wand mich, wünschte, ich könnte mich zu einem kleinen Ball zusammenrollen und
unter den Sitz kullern. Oder mich unsichtbar machen, obwohl sein Körper ihnen die
Sicht auf mich versperrte und durch die getönten Scheiben ohnehin nichts zu
erkennen war. Wieso hielten sie Ricky für ihr Eigentum, nur weil er auf der
Bühne so viel von sich gab? Wieso mussten sie uns belauern? Das zwischen uns
war so neu, so privat...
Er
schwieg. Immer noch mehr Fragen, derselben Art. Die Stimmen wurden drängend.
Schließlich drehte ersieh um, beugte sich herunter und sah mich fragend an.
Ich
konnte nicht. Unmöglich! Oder doch? Um seinetwillen?
Ich
holte tief Luft und nickte.
Er
ergriff meine Hand, half mir aus dem Wagen und hielt mich, den Arm um meine
Schulter. Die Scheinwefer blendeten; ich konnte nichts und niemanden erkennen.
Ich beschirmte meine Augen mit der Hand und bemühte mich, nicht so panisch
auszusehen, wie ich mich fühlte.
Ricky
sagte: »Hier ist sie. Können Sie’s mir verübeln, dass es mich total erwischt
hat?«
Leute
klatschten. Manche pfiffen. Reporter fingen wieder an, Fragen zu brüllen. Mein
Herz raste wie ein verängstigtes, kleines Tier, das sein Schlupfloch zu
erreichen versucht. Ricky sagte gutmütig: »Kein Kommentar... darauf gehe ich
lieber nicht ein...« Dann lachte er. »Hey, Leute, lasst es gut sein!«
Ich
sah zu ihm auf, und unsere Blicke trafen sich. Er drückte meine Schulter und
grinste auf seine umwerfend schiefe Art. Und dann sagte er, so leise, dass es
niemand anders hören konnte: »Ich liebe dich, Red.«
Und
ganz plötzlich verschwamm alles, und ich saß wieder in der Limousine, ohne zu
wissen, wie ich dahin gekommen war. Ich hörte ihn sagen: »Ich ruf dich an, in
drei Stunden. Versprochen.« Und als ich meine fünf Sinne wieder beieinander
hatte, war der Wagen schon auf einem Freeway, und alles, was ich noch sehen
konnte, waren Palmwipfel vor einem rötlich grauen Himmel, obwohl es doch mitten
in der Nacht war.
Der
Fahrer sagte: »In dreißig Minuten sind wir in LAX, Ms. Kelleher.«
»Danke.«
Ich merkte, dass ich weinte, und fischte in meiner Handtasche nach einem
Kleenex. Da war natürlich keins, aber meine Finger stießen auf das Fax, das für
Shar gekommen war, nachdem sie das Hotel verlassen hatte — das Fax, das Mick
mir hinter der Bühne in die Hand gedrückt hatte mit der Bitte, es Ricky zu
geben, damit der es an sie weitergäbe.
Verdammt!
Ich war so liebestrunken, dass ich meinen Job vernachlässigt hatte.
Liebe.
Ricky
hatte das Tabuwort ausgesprochen. Er hatte mir das gegeben, wovon er wusste,
dass ich es brauchte, um diese schlimme Zeit der Angst zu überstehen.
Freitagnacht,
als wir uns unsere Lebensgeschichten erzählt hatten, hatte ich von meinen
Eltern gesprochen, die, als ich erst acht gewesen war, im Auto ums Leben
gekommen waren — betrunken, wie fast mein ganzes junges Leben hindurch. Von
meiner Großmutter, die mich aufgezogen und kein Hehl daraus gemacht hatte, dass
ich für sie eine leidige Last war, fast schon eine Art Hiobsprüfung. Davon,
dass ich keinen Moment um sie getrauert hatte, als sie in meinem ersten
Collegejahr gestorben war. Und davon, dass mich das erst recht traurig gemacht
hatte.
Aber
das waren nur Fakten gewesen. Im Lauf der Nacht hatte ich dann zu meinem
Erstaunen gemerkt, dass ich mich ihm öffnete wie noch nie einem Menschen. Und
schließlich hatte ich ihm von der Leere in meinem Inneren erzählt.
Es
war die Art Leere, die bei einem kleinen Mädchen, das weiß, dass es nicht
geliebt wird, als kleines Bläschen beginnt und sich dann nach und nach zu einem
riesigen Vakuum ausdehnt, das die ganze Person einzusaugen und zu verschlingen
droht. Seit ich fünfzehn war, hatte meine Verteidigungsstrategie gegen diese
gefräßige innere Leere darin bestanden, mich — meinen Körper und meine Seele —
jedem männlichen Wesen darzubieten, das sich vielleicht verlocken lassen würde,
mich zu lieben. Die junge Rae Kelleher war Gottes Geschenk an die halbe
männliche Jugend und einen Teil der erwachsenen männlichen Population von Santa
Maria, Kalifornien, und später auch für einen nicht unerheblichen Prozentsatz
der männlichen Studentenschaft von Berkeley gewesen. Aber lockere,
oberflächliche Affären und One-night-stands sind kein Mittel, eine uralte
gähnende Leere zu füllen.
Und
dann, im vorletzten Studienjahr, hatte ich befürchtet, schwanger zu sein, und
erschrocken und beschämt erkennen müssen, dass drei Männer
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