Das gebrochene Versprechen
Lied ?
3
Ich bekam kaum mit, wie Don
aufstand, um den CD-Spieler abzustellen. Ich war ganz auf die Botschaft der
Ballade konzentriert, und Schreckensbilder flackerten durch meinen Kopf.
Er nutzte meine
Geistesabwesenheit, um uns Wein nachzuschenken, und setzte sich dann wieder
neben mich. »Also«, sagte er, »was denkst du?«
»Meine Phantasie ist wie üblich
hyperaktiv. Diese Sängerin, Arletta James — du sagst, sie ist aus Bakersfield?«
»Ja. Warum?«
»Da kommt Ricky auch her.«
»Dann kennt er sie vermutlich.
Die Musikszene draußen im Valley ist ziemlich eng verwoben. Außerdem glaube
ich...« Er stand auf und holte das Heftchen, das in der CD-Hülle steckte. »Ja«,
sagte er, nachdem er es rasch durchgeguckt hatte, »sie erwähnt ihn in ihrem
Booklet. ›Mein besonderer Dank gilt Ricky Savage.‹«
»Wofür, frage ich mich? Welcher
Art ist ihr Verhältnis?«
»Ah.« Don lehnte sich grinsend
zurück. »Ich weiß, was du denkst. Du meinst, dass er was mit ihr hatte, dass er
sie geschwängert hat und dann nichts mehr von ihr wissen wollte. Und dass sie
durchgedreht ist und jetzt ihn und seine Familie umbringen will.«
»Klingt ziemlich weit
hergeholt, was?«
»Weiß nicht. Wäre das seine
Art?«
»Na ja, mit meiner Schwester
hat er’s gemacht — sie geschwängert, meine ich. Und ich weiß, dass er all die
Jahre nicht gerade wie ein Mönch gelebt hat, wenn er auf Tour war. Ich habe ihn
gefragt, ob es in seiner Vergangenheit irgendwas Hässliches gibt, das ihn jetzt
womöglich einholt, aber er war nicht besonders auskunftswillig, sagte nur, klar
gebe es im Leben eines jeden Bühnenstars irgendwelches Zeug, aber ihm falle
nichts ein, was eine solche Verfolgungskampagne hätte auslösen können.«
»Irgendwelches Zeug, hm?«
Ich nickte. »Er wird sich
genauer äußern müssen. Und ich werde ihn nach Arletta James fragen müssen.«
Don runzelte die Stirn. »Shar,
selbst wenn da was war, selbst wenn er sie geschwängert hätte, wir leben im
ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert. Wegen so was dreht doch heute niemand mehr
durch.«
»Die Leute drehen aus allen
möglichen Gründen durch. Wenn du mir nicht glaubst, wirf mal einen Blick in
meine Wahre-Kriminalgeschichten-Sammlung. Oder besser noch, in meine
Fallakten.« Ich trank von meinem Wein und dachte an den Fall, der mir die
Belohnung vom FBI eingebracht hatte; dieser Täter war gründlichst durchgedreht,
und das aus Gründen, die wohl kaum jemand für so schwer wiegend gehalten hätte.
Don sagte: »Ich nehm’s dir auch
so ab.«
Ich starrte in die
burgunderroten Tiefen meines Glases, auf der Suche nach einer Antwort, fand
aber keine. »Ich schätze, es ist wirklich weit hergeholt.«
»Vielleicht auch nicht. Man
liest in letzter Zeit viel von Stalking.«
» Aber Stalking ist eher
etwas, was Männer tun. Und außerdem machen sich Stalker an ihre Opfer heran.
Sie probieren es erst auf die nette Tour — schicken Blumen, bitten um ein Date,
weiß der Kuckuck was — und werden dann aggressiv, wenn sie eine Zurückweisung
erfahren. Die Briefe, die Ricky gekriegt hat, wirken nicht so.«
»Wie wirken sie dann?«
»Der Absender oder die
Absenderin scheint einen rapiden psychischen Desintegrationsprozess
durchzumachen. Und es ist ganz offensichtlich, dass der- oder diejenige etwas
will, unklar ist nur, was. Und die Briefe haben so was Vorwurfsvolles... Ach,
verdammt, das war alles nur mein spontaner Eindruck, wenn du sie dir angucken
würdest, hättest du vielleicht ein ganz anderes Gefühl. Der springende Punkt
ist, dass der- oder diejenige weiß, wo Ricky wohnt, und ergo ihm, meiner
Schwester und den Kindern etwas antun könnte.« Ich stellte mein Glas hin und
stand auf.
»Du musst schon wieder gehen?«
»Ja. Vielen Dank für deine
Hilfe.«
»Nichts zu danken. Lass mich
wissen, wie es ausgegangen ist.«
Von Dons Wohnung fuhr ich zum
Civic Center und verbrachte in der dortigen Bibliothek eine Stunde mit dem
vergeblichen Versuch, in den einschlägigen Branchenblättern irgendetwas über
Arletta James zu finden. Auf dem Weg nach draußen machte ich noch einen kleinen
Abstecher in die Abteilung Naturwissenschaften und schlug etwas nach, das für
die Ermittlungen vermutlich irrelevant war, mich aber interessierte. Dann fuhr
ich zurück zum Embarcadero.
Es war ein ungewöhnlich heißer
Tag für die Jahreszeit, denn der Juli ist in San Francisco normalerweise kühl
und neblig. Ich fuhr den mg mit
offenem Verdeck, aber nicht
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