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Das gebrochene Versprechen

Das gebrochene Versprechen

Titel: Das gebrochene Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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absetzen.«
    Ricky sagte: »Ich setze sie ab,
Schwester Sharon.« In seiner Stimme war ein amüsierter Unterton, der mich daran
erinnerte, woher dieser Spitzname kam: »Schwester Sharon, die durch und durch
Reine, Gute und Weise«, hatte sich Charlene früher oft beklagt. »Sie hätte
Nonne werden sollen.«
    Doch Ricky wusste nur zu gut,
dass die anschließende Entwicklung bewiesen hatte, wie weit ich davon entfernt
war, rein, gut und weise zu sein — geschweige denn, nonnenhaft. Ich lächelte
verkrampft und beugte mich in den Wagen, um ihn zu umarmen. »Okay, Bruder
Ricky, aber eins noch: Hy hat einen von seinen Leuten in deine Hotelsuite
beordert.«
    »Warum?«
    Ich wollte mich vor Rae nicht
darüber auslassen; entweder er würde ihr von dem Problem erzählen, oder sie
würde es erfahren, wenn ich sie in die Ermittlungen einbezog — falls ich es tun
würde. »Nur eine Vorsichtsmaßnahme.«
    »Na ja, heute Nacht bin ich
bestimmt nicht einsam.« Er drückte Raes Knie.
    Ihr Blick verschleierte sich,
als ahnte sie plötzlich, dass sie sich da womöglich auf etwas eingelassen
hatte, dem sie nicht gewachsen sein würde. Ich nahm meinen Reservehausschlüssel
aus meiner Tasche und warf ihn ihr zu. Sie starrte ein paar Sekunden
stirnrunzelnd darauf, als hätte sie völlig vergessen, dass ich ihr mein
Gästezimmer angeboten hatte. Dann brachte sie ein schwaches Lächeln zustande.
»Danke.«
    »Bitte.« Ich hoffte, sie würde
das Angebot nutzen — und zwar bald. Hy fragte Ricky: »Wann geht’s wieder nach
Hause?«
    »Wir haben für drei Uhr heute
Nachmittag eine Maschine gechartert.«
    »Dann sehen wir uns drunten bei
euch.«
    Er schloss die Tür der
Limousine und wir traten zurück, als diese anfuhr und sich in den Verkehr in
nördlicher Richtung einfädelte. Ich sah den Heckleuchten nach und dachte, dass
Rae mit Ricky mal wieder einen ihrer Fehlgriffe getan hatte. Aber diesmal
einen, der für uns alle desaströse Folgen haben konnte.
     
     
     
     

6
     
    Aus Rae Kellehers Tagebuch:
     
    Fehlentscheidungen,
pflegte meine Großmutter, die mich aufgezogen hat, zu sagen, können einen teuer
zu stehen kommen. Was sie nicht sagte, war, dass auch richtige Entscheidungen
einen hohen Preis fordern können. Ich wusste, dass ich in Bezug auf Ricky die richtige
Entscheidung getroffen hatte, aber davon fühlte ich mich auch nicht besser, als
ich mit ihm vor der Tür von All Souls stand. Und dieses Wissen würde mich
während der paar Stunden, die von der Nacht noch blieben, auch nicht warm
halten.
    Warum
ist das, was man am allerliebsten will, immer falsch?
    Seit
an Silvester meine Cyber-Affären geplatzt waren, hatte ich Männer gemieden wie
die Pest. Doch jeden Abend eine Überdosis Spielfilme zu konsumieren und
Schundromane zu lesen und dann den Libidostau im Gym abzureagieren, wird
ziemlich schnell langweilig. Gestern, am späten Nachmittag, im Miranda’s, hatte
ich noch in einem klassischen schwarzen Loch gesteckt, weil das Leben so wenig
Überraschendes bot. Und über Ricky Savage hatte ich nicht mehr gewusst, als
dass er Shars Schwager war und eine Stimme hatte, die mich, wenn ich richtig
hinhörte, schnurstracks auf die Kraftmaschine treiben würde.
    Doch
jetzt, nur gute sechs Stunden später, war das Leben voller Überraschungen. Hier
war ich, in einer Limousine, nicht mehr ganz zurechnungsfähig vor lauter
Champagner, und knutschte wie ein Teenager mit dem Mann — oder jedenfalls der
Stimme — meiner Träume. Und irgendwo zwischen Pier 24 1/2 und Stanford Court,
als ich plötzlich einen Nüchternheitsanfall hatte und ihn aufforderte, seine
Hand aus meiner Jeans zu nehmen, ließ er ohne Protest von mir ab. Da — und auch
noch die ganzen nächsten zwei Stunden, die wir in der Gegend herumfuhren und
redeten — wurde
mir klar, dass viel mehr an ihm dran war als nur dieses Image. Wie viel mehr,
merkte Ich, als er mir seine intimsten Gedanken offenbarte.
    Hier
war ein Mann, in den ich mich verlieben könnte, aber das würde ich nicht
zulassen.
    Ich
steckte meinen Schlüssel ins Türschloss des Riesenhauses und drehte mich zu ihm
um.
    »Gut
Freund?«, fragte er und strich mir mit der Rückseite seiner Finger übers
Gesicht.
    »Gut
Freund.«
    »Danke,
dass du die Bremse gezogen hast, Red. Das wäre ein heilloser Schlamassel für
alle Betroffenen geworden. Außerdem brauchte ich heute Abend vor allem ein offenes
Ohr. Und du auch.«
    Er
hatte ja Recht — vor allem, was den Schlamassel anging. Ich sah mich am Montag
ins

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