Das gebrochene Versprechen
Habiba?«
Ich hegte heftige Beschützerinstinkte gegenüber Anne-Maries und Hanks
Pflegetochter, mit der ich erst vor kurzem einen Albtraum durchgestanden hatte,
den wenige Erwachsene so tapfer ertragen hätten.
»Sie schläft auf dem Rücksitz
der Limousine. Der Fahrer wird auf sie aufpassen. Na, jedenfalls, ich wollte
nicht mit, also war Joe so nett, mich hier raufzubringen.« Sie winkte dem
Security-Mann zu, der sie wehmütig beobachtete. Er winkte zurück, zwinkerte
dann. Sie warf ihm ein Küsschen zu.
Ich starrte sie verblüfft an.
Ich hatte Rae noch nie auf der Jagd erlebt. Es war wirklich faszinierend.
Offensichtlich fand Ricky das
auch. Er trat lächelnd näher.
»Weil«, fuhr sie fort, wobei
sie ihn mit einem kräuselnasigen Grinsen bedachte, »ich gehofft habe, Sie
könnten mich vielleicht auf dem Rückweg mitnehmen.«
Sein Blick wanderte von ihrem
Gesicht zu ihrer wohlgeformten Figur. »Ma’am«, sagte er im besten
Südstaatenkavalierston, »wird mir ein Vergnügen sein.«
Oh, Shit, Savage! Trag doch
noch ein bisschen dicker auf!
Er hatte gerade genug
Ego-Streicheleinheiten, Dope und Whiskey genossen, um leichtfertig zu sein,
genug Schmerz erlitten, um etwas Unbedachtes zu tun. Aber Ricky war ein großer
Junge, er kam schon allein zurecht. Es war Rae, um die ich mir Sorgen machte.
Sie hatte, seit ich sie kannte,
eine Menge durchgemacht: den Kollaps einer wachstumsbehindernden Frühehe, eine
stürmische Ja-nein-doch-wieder-Beziehung, die sie schließlich torpediert hatte,
eine seltsame Dreiecksgeschichte per Computer, die an Silvester mit Herzschmerz
geendet hatte. Daraufhin hatte sie den Männern erst mal ganz abgeschworen, aber
jetzt war sie anscheinend bereit, sich wieder in die Maschine zu setzen und zu
einem neuen Flugabenteuer zu starten. Einem Flugabenteuer nach Rae-Art — mit
dem Autopiloten auf Kollisionskoordinaten.
Ich wollte sie packen und
schütteln, um sie zur Vernunft zu bringen, wollte Ricky sagen, dass er auf dem
besten Weg war, alle möglichen Komplikationen heraufzubeschwören. Rae war nicht
nur meine Angestellte, sondern auch eine Freundin. Sie arbeitete mit seinem
Sohn in einem Büroraum, und die beiden waren gute Kumpels geworden. Wie, zum
Teufel, sollte sie uns noch gegenübertreten, nach einem One-night-stand mit
meinem Schwager seinem Vater?
Am Ende kriegte ich es jedoch
hin, nichts zu tun oder zu sagen. Rae und Ricky waren erwachsene Menschen —
auch wenn sie sich nicht unbedingt so benahmen — und hatten das Recht, ihre
eigenen Fehler zu machen.
Nachdem Ricky sein
Bühnen-Outfit gegen Shorts und T-Shirts eingetauscht hatte, sammelten wir
unseren Kram ein und stiegen in die Limousine, wo er die Bar für eröffnet
erklärte. Hy trank in seinem üblichen gemächlichen Tempo ein Bier und warf mir
zwischendurch ironische Blicke zu. Ich trank Wein, wobei ich mich ermahnte, es
nicht vor lauter Anspannung zu übertreiben — was ich dann doch tat. Ricky
kippte einen Bourbon nach dem anderen, und Rae benahm sich mit jedem Glas
Champagner verführerischer. In der Gegend von Novato knipste Ricky die
schummrige Innenbeleuchtung aus. Ich lehnte mich an Hy, spürte seine Arme um
meinen Oberkörper, seine Wärme und seinen beruhigenden Herzschlag. Er legte das
Kinn auf meinen Kopf, und ich fühlte, wie meine Anspannung nachließ.
Auf dem Sitz gegenüber zog
Ricky Rae an sich. Im Licht entgegenkommender Scheinwerfer sah ich, wie sie
sich küssten, wie seine Hand zu ihrer bloßen Mitte wanderte. Ehe sie von dort
emporkriechen konnte, bedachte ich beide mit einem letzten stählernen Blick —
den sie vor lauter anderweitigem Beschäftigtsein gar nicht bemerkten — und
schloss dann die Augen. Das Letzte, was ich wollte, war, zwei Menschen, die mir
wichtig waren, dabei zuzusehen, wie sie sich zum Narren machten.
Plötzlich verkündete der
Fahrer, wir seien jetzt bei Pier 24 1/2. Ich schreckte verwirrt hoch.
»Hey, Leute«, sagte Ricky,
»danke, dass ihr mitgekommen seid.«
»Wir danken dir.« Hy
manövrierte seine lange Gestalt aus dem Wagen und streckte mir die Hand hin.
Ich gähnte, stieg aus und sah mich nach Rae um. »Kommst du?«
Im grellen Licht der Sicherheitsscheinwerfer
des Piergebäudes war ihr Gesicht kalkweiß; ihre Locken waren zerwühlt und die
beiden obersten Knöpfe ihrer Bluse offen. Sie sah mich draufgucken und knöpfte
sie rasch zu. »Äh, ich war heute nicht mit dem Auto da.«
»Einer von uns, Hy oder ich,
kann dich ja in der Coso Street
Weitere Kostenlose Bücher