Das gebrochene Versprechen
Stiel ihres Glases zwischen
Daumen und Zeigefinger. »Nein, niemand«, sagte sie schließlich, »aber es ist komisch.
Ich assoziiere diesen Song immer mit Ricky.«
»Wieso?«
»Tja, eine halbe Stunde,
nachdem ich ihn aufgenommen hatte, bin ich ihm zufällig begegnet, in einem
Lokal in der Nähe des Burbank Boulevard, wo eine Menge Leute aus dem Business
rumhängen. Das muss so vor drei Jahren gewesen sein. Es war etwa zwei Uhr
mittags, und er saß an der Bar und kippte harte Sachen. Das passte gar nicht zu
dem Burschen, den ich in Erinnerung hatte, also bin ich rübergegangen, um hallo
zu sagen, vor allem aber um rauszukriegen, ob ihn der Erfolg so verändert
hatte.«
»Und?«
»Nicht die Bohne. Wir kamen ins
Reden und ich merkte, dass er total unter Stress stand und tatsächlich ziemlich
blau war. Also habe ich ihn dazu gebracht, sich mit mir in eine Sitznische zu
setzen, während ich was gegessen habe. Wir haben geschwatzt — ich wohl eher und
irgendwann habe ich dann meinen Mut zusammengenommen und ihn gefragt, was denn
los sei. Und er hat gesagt: ›Ach, verdammt, Letta, diese Verrückte ist hinter
mir hem«
»Welche Verrückte?«
Letta zuckte die Achseln.
»Einen Namen hat er nicht genannt. Wenn ich mich recht erinnere, war’s so, dass
er drei Auftrittstermine hintereinander in Texas hatte, und am ersten Abend
traf er diese Möchtegern-Sängerin. Nette Stimme, aber nichts Besonderes, noch netteres
Gesicht und besonders nette Figur. Er hatte gerade Krach mit seiner Frau gehabt
— ich schätze, Streiten und Sichwiederversöhnen war mal das gewesen, was sie
beide angemacht hatte, aber inzwischen war’s ihm schon ziemlich langweilig, und
die Streitereien wurden richtig ernst —« Sie unterbrach sich, schirmte ihre
Augen gegen die blendende Sonne ab und musterte mich. »Sorry, darüber sollte
ich besser nicht reden. Hätte beinahe vergessen, dass Sie ja Charlys Schwester
sind.«
»Schon gut, reden Sie weiter.«
Ich hatte noch nie drüber nachgedacht, aber jetzt, wo sie’s sagte, wurde mir
klar, dass ich irgendwo immer gewusst hatte, welche Art Spielchen Ricky und
Charlene spielten.
»Na ja, sie hatten sich böse gestritten,
bevor er abgeflogen war, und dann kam diese Frau des Wegs, und Ricky verbrachte
das Wochenende mit ihr. War nicht das erste Mal, dass er so was machte, aber
angesichts der Folgen könnte es gut das letzte Mal gewesen sein.« Sie hielt
inne, jetzt wieder nachdenklich. »So was passiert, wenn man auf Tour ist. Die
Leute himmeln einen dermaßen an, dass man sich schließlich selbst für
wahnsinnig toll hält. Und dann fängt man an, die anderen toll zu finden, weil
sie einen toll finden. Und eh man sich’s versieht...« Sie schnippte mit den
Fingern und grinste durchtrieben. »Ich selbst bin eigentlich die monogamste
Frau auf Gottes Erdboden, aber gelegentlich kann mich doch irgend so ein süßes
junges Ding becircen. Den meisten Leuten ist klar, dass das nur eine
Wochenendromanze ist, dass da nichts draus folgt. Sie stellen keine Ansprüche
und kriegen, was sie wollen — was normalerweise darin besteht, in ihr normales
Leben zurückzukehren und jedem zu erzählen, dass sie mit XY geschlafen haben
und man selbst kriegt auch, was man will. Und so hatte sich Ricky das mit
dieser Frau in Texas auch vorgestellt.«
»Aber?«
»Aber als er wieder zu Hause
war, fing sie an, ihn zu belästigen. Irgendwie kam sie an seine nicht
eingetragenen Telefonnummern, rief dauernd an, klang ziemlich gestört.
Verschaffte sich seine Adresse und fing an, Briefe zu schicken, als er ihre
Anrufe nicht mehr entgegennahm.«
»Was stand in den Briefen?«
»Ach, das übliche Zeug, das man
von Fans mit einer übersteigerten Phantasie zu hören kriegt. Sie behauptete, er
habe versprochen, seine Frau für sie zu verlassen, einen Song für sie zu
schreiben, einen Star aus ihr zu machen. Passiert Musikern oft, vor allem
welchen von Rickys Kaliber. Leute, die man gar nicht kennt, erheben die
wildesten Behauptungen.«
»Aber warum war er dann so
gestresst?«
»Normalerweise verschwinden
diese Spinner einfach wieder, wenn man nicht reagiert, aber diese Frau nicht.
Und er hatte ja mit ihr geschlafen. Mit Charlene stand damals alles ziemlich
auf der Kippe, und er hatte Angst, wenn diese Frau zu ihr gehen würde, wie
sie’s androhte, könnte das das Ende seiner Ehe sein. Ich spürte, dass da noch
was war, irgendwas, was ihn so aufregte, dass er nicht drüber reden konnte. Na,
jedenfalls, ich habe ihm geraten, sich
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