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Das gebrochene Versprechen

Das gebrochene Versprechen

Titel: Das gebrochene Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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das
Frühstücksbier hatte er auf der Haube deponiert. Er wohnte neben dem Haus, in
dem All Souls einst zusätzliche Büros angemietet hatte, und wir hatten uns
immer im Vorübergehen gegrüßt. Auch er brauchte einen Moment, um mich wieder zu
erkennen, und musterte mich dann mit kaum verhohlener Missbilligung. »Dachte,
Sie hätten alle verkauft und seien nach Downtown gezogen«, sagte er. Als ich
ihn nach irgendwelchen außergewöhnlichen Vorkommnissen am frühen Morgen fragte,
erklärte er, er schlafe zwar nicht besonders gut und habe gesehen, wie Rae von
Ricky heimgebracht worden sei, mehr aber auch nicht. »In diesem Stadtteil
kriegt man nicht viele Limousinen zu sehen«, setzte er hinzu, »aber das haben
Sie mittlerweile wohl schon vergessen.«
    Mittlerweile. Es waren nur drei
Wochen, aber die Leute hatten mich vergessen und gingen davon aus, dass ich sie
und das Leben hier ebenfalls vergessen hatte. So viel zu bleibenden Kontakten
in der modernen Großstadt.
     
    Als ich ins Piergebäude fuhr,
sah ich Teds kleinen weißen Dodge Neon am Fuß unseres Treppenaufgangs stehen.
Ted hatte sich angewöhnt, samstags vormittags zu kommen, um den Überhang der
Woche aufzuarbeiten, während Neal im Buchladen Dienst tat. Montags, wenn der
Laden — der den Namen Anacbronism trug — zu hatte, kam Ted dafür
gewöhnlich erst gegen Mittag hereingeschlendert. Niemand störte sich daran; er
hatte die Büros so gut organisiert, dass sie praktisch von selbst liefen, und
außerdem waren wir alle so froh, ihn zum ersten Mal seit Jahren richtig glücklich
zu sehen, dass wir ihm gern das Doppelte an Freizeit zugestanden hätten.
    Ich stellte den mg in meiner Parkbox ab und stieg die
Treppe hinauf. Teds Tür stand offen. »Hey«, rief ich, »wie war’s in der
supergeilen Bar?«
    »Schrei nicht so!«, flehte seine
gequälte Stimme. »Mein Kopf!«
    »Habt wohl die ganze Nacht
durchgetanzt, was?«
    Ein ungewöhnlich bleiches
Ziegenbartgesicht funkelte mich über einen Unterlagenstapel hinweg grimmig an.
»Den Heteropaaren beim Tanzen zugeschaut, bis zwei. Neal und ich wollten
inmitten einer solchen Klientel lieber nichts riskieren. Außerdem« — er grinste
verlegen — »war da dieser toll aussehende Typ mit der Bar-Ale-Feeds-Kappe, den
ich nicht in seine Nähe lassen wollte.«
    »Schwule, in Penngrove?«
    »Wir sind überall.« Er griff nach
einem Umschlag in seinem Posteingangskorb und reichte ihn mir. »Vom
Richman-Labor.«
    »Das ging ja schnell. Kannst du
noch was für mich hinbringen lassen? Sie haben heute bis zwölf offen.«
    »Ich bring’s auf dem Heimweg
selbst vorbei.«
    »Danke.« Ich ging in mein Büro
und füllte ein Auftragsformular aus, wobei ich einen Moment zögerte, welche
Kästchen ich ankreuzen sollte. Dann schrieb ich unter Sonstiges : »Alles,
was zur Identifikation der Quelle beitragen kann«, und steckte das Blatt
zusammen mit dem Plastikbeutel voller Jasmin in einen Umschlag. Als ich Ted den
Umschlag auf den Schreibtisch legte, war er gerade im Kopierraum, wo ich ihn
»Mammas, Don’t Let Your Babies Grow Up to Be Cowboys« vor sich hin pfeifen
hörte.
     
    Papierbeschaffenheit:
25% Baumwolle, 90-g-Bondpapier
    Fabrikat:
Southworth
    Tinte:
schwarz, lichtecht, wasserfest
    Schreibgerät:
Tintenroller, Stärke 0,22 mm
    Fabrikat:
Uni-ball
    Fingerabdrücke:
lediglich verwischte Spuren, teilweise mit mikroskopischen
Stahllegierungspartikeln behaftet.
     
    Das Papier war eine
gebräuchliche Sorte, der Kugelschreiber ebenfalls. Ich hatte selbst beides in
meinem Büro. Keine brauchbaren Fingerabdrücke, und die verwischten stammten
wohl von Ricky, der vermutlich Partikel vom Stahl seiner Gitarrenseiten an den
Fingern hatte. Alles in allem kein besonders interessantes Ergebnis, aber die
graphologische Analyse fesselte mich.
     
    Alle
sechs Schriftstücke stammen augenscheinlich von derselben Hand, wenn auch, von
Probe Nr. 1 bis Probe Nr. 6 fortschreitend, Anzeichen einer deutlichen
Persönlichkeitsveränderung erkennbar sind. Geschlecht der Person nicht
feststellbar.
    Kriterium
A: Schreibgeschwindigkeit. Charakteristika klarer geistiger Verfassung bei
Probe Nr. 3 bereits beeinträchtigt, Indikatoren für desorganisierten Geisteszustand
bei Probe Nr. 6 bereits dominierend.
    Kriterium
B: Sicherheit und Flexibiliät der Schreibbewegung. Indikatoren für
Selbstvertrauen bei Proben Nr. 1 bis Nr. 4 dominierend, bei Nr. 5 und Nr. 6
Übergang zu Indikatoren für ängstliche Anspannung.
    Kriterium
C: Gleichmäßigkeit der

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