Das gebrochene Versprechen
ein Dankeschön zu, ging zur
Beifahrertür hinüber und kletterte an Bord, wobei ich mir die Finger an dem
heißen Blech verbrannte.
Na,
toll, Rae. Schlimm genug, dass du Ricky mit einem lädierten rechten Arm und
allerlei erklärungsbedürftigen blauen Flecken und Schrammen empfängst. Leg’s
nicht noch auf Verbrennungen ersten Grades an.
Mig
ließ den Motor an und fuhr zügig auf die nächstgelegenen Gebäude zu. Das größte
war flach und lang gestreckt, mit einem quadratischen, offenen Turm an jedem
Ende. Auf der anderen Seite eines Hofs standen kleinere, ebenfalls längliche
Gebäude in Hufeisenform um den Pool und die Tennisplätze. Kakteen und graugrüne
Bäume mit feinen Ästen säumten Eingänge. Die Architektur war so karg und
schmucklos wie die Wüste selbst.
Mig
schwatzte drauflos, über das Studio und die Bungalows und die
Sicherheitsvorkehrungen. Ich hörte kaum hin, bis er sagte: »Kein Grund, sich
hier nicht sicher zu fühlen.«
Kein
äußerer Grund, vielleicht, aber innerlich war mir, als balancierte ich auf
einem Drahtseil über einen Alligatorensumpf.
Der
Bungalow war größer als meine zukünftige Wohnung. Eine geräumige Küche mit
Essecke, ein Wohnzimmer mit gemauertem Kamin und einem Fenster mit Blick auf
einen erloschenen Vulkankegel, wie Mig mir erklärte. Nur ein Schlafzimmer.
Nicht
allzu diskret, was deine Absichten betrifft, hm, Savage?
Mig
deponierte meine Tasche im Schlafzimmer und ging. Ich blieb im Wohnzimmer.
Normalerweise neige ich ja, auch wenn das nicht die feine Art ist, zum
Herumschnüffeln, aber jetzt brachte ich es nicht über mich, meine Nase in die
Schränke und Schubladen dieses so sehr auf seine Privatsphäre bedachten Mannes
zu stecken. Ich sah mir nur die gerahmten Familienfotos an, die auf einem
Tischchen standen. Mick, jünger, mit Zahnspange. Der gut aussehende junge Mann,
mit dem ich das Büro teilte, war mal ein verlegener Teenager gewesen! Zwei
hübsche Mädchen im Teenageralter — das eine mit langem, blondem Haar, das
andere mit einer albernen braunen Dauerwelle, die mich an das erinnerte, was
ich mir in dem Alter angetan hatte. Zwei strohblonde kleine Mädchen und ein
Junge mit Rickys Haarfarbe; sie waren etwa zwischen sieben und elf und saßen in
Badesachen auf einem Sprungbrett. Sie sahen glücklich aus.
Nicht
fair, was ihnen jetzt bevorstand. Sie konnten doch nicht das Geringste dafür.
Ich
nahm das letzte Foto in die Hand. Eine Frau mit einer schicken blonden
Kurzhaarfrisur — schön wie ihre Töchter. Ihr Lächeln wirkte unsicher, ihr Blick
fragend.
Charly,
wie er sie nannte.
Ich
nahm das Foto mit unter die Lampe auf dem anderen Tisch und studierte es.
Keinerlei Ähnlichkeit mit ihrer Schwester. Shar hat ein so genanntes rezessives
Gen von ihrer Shoshonen-Urgroßmutter. Die anderen in der Familie sehen alle aus
wie die typischen kalifornischen Jungs und Mädels, nur Shar ist dunkel und
exotisch. Dennoch, Charlene war eine Schönheit. Warum dann dieser
misstrauische, unsichere Gesichtsausdruck?
Klar,
sie war verletzt worden. Das passiert, wenn man verletzt wird. Man fragt sich,
warum, und wartet auf den nächsten Schlag. Sie war von dem Mann verletzt
worden, den ich hier treffen wollte.
Mein
Magen zog sich wieder zusammen. Ich stellte das Foto von Charlene zurück und
ging ans Fenster. Flammender Sonnenuntergang hinter lila Bergen. Vielleicht
würde ich ja jetzt auch flammend untergehen. Mein überraschungsarmes Leben war
wenigstens sicher gewesen —
Draußen
jetzt nahendes Motorengeräusch. Das Röhren und Jaulen eines
Arschlochgenerator-Porsches beim Fierunterschalten. Er fuhr vor, verstummte, und
eine Tür schlug zu. Schritte auf dem sandigen Vorplatz. Ich drehte mich um, als
er hereinkam.
Er
sah schrecklich aus - müde, verschwitzt, zerknittert. An seinem Kinn war
Wagenschmiere, auf seiner Wange eine blutige Schramme — Charlenes Ohrfeige, von
der er mir schon erzählt hatte. Und seine Miene besagte, dass er so ziemlich
alle Hoffnung aufgegeben hatte, irgendwas könnte auch gut gehen.
Komm-fick-mich-Stimme,
Komm-begrab-mich-Look.
Doch
als er mich sah, leuchteten seine Augen auf. »Hey, Red.« Plötzlich brachte ich
keinen Ton heraus. Durch irgendeinen merkwürdigen biologischen Mechanismus war
der Knoten in meinem Magen aufwärts gewandert und drohte mich jetzt zu
strangulieren. Ich lehnte mich ans Fenster. Die Scheibe war klimaanlagenkühl,
aber ich konnte die Hitze draußen spüren.
Ricky
lächelte sein schiefes Lächeln und
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