Das gebrochene Versprechen
sah mich halb belustigt, halb fragend an.
»Was ist denn, Red? Du hast doch nicht wieder Angst vor mir?«
Er
war ein Superstar, der über viele Leute hinweggestiegen war, um ganz nach oben
zu kommen. Er war ein untreuer Ehemann, der diesen Ausdruck im Gesicht seiner
Frau verursacht hatte und ihn vermutlich nicht mal sah. Er war ein Vater, der
gerade im Begriff war, seine Familie zu verlassen. Und er war dabei, alles zu
tun, um mich in sein Bett zu kriegen.
Aber
er war auch einfach nur Ricky: der Junge aus Bakersfield, der vom Starruhm
geträumt hatte und dann die Kehrseiten hatte erfahren müssen. Der Junge, der
sich, seit er zwölf gewesen war, den Arsch abgeschuftet hatte, um seine Musik
machen zu können. Der einzige Sohn, der alles gewesen war, was zwischen seiner
Mutter und dem betrunkenen, gewalttätigen Vater stand. Der Einzelgänger, der
sich In seine Songs geflüchtet hatte. Der Mann, der in diesem Moment eine
schwere Last von Schmerz und Schuldgefühl mit sich herumschleppte.
Einfach
nur Ricky.
Ich
löste mich vom Fenster, trat auf ihn zu und umarmte ihn. Reckte mich auf die
Zehenspitzen und drückte meine Wange an seine.
»Ich
bin ja so froh, dass du hier bist, Red«, flüsterte er.
Ich
konnte immer noch nichts sagen, also hielt ich ihn einfach nur fest.
»Ich
weiß nicht, was aus uns beiden wird«, sagte er, »aber eins verspreche ich dir:
Ich werde dir niemals bewusst wehtun. Mit dieser Art zu leben bin ich fertig.«
Wir
lagen nebeneinander im Bett, als ich ihm die große Frage stellte — nicht die, die Shar
gestellt haben wollte, sondern meine eigene: »Bist du mit mir hier, weil du
dich an Charlene rächen willst?«
Er
nahm mich in die Arme und zog mich halb auf sich, sodass ich ihm in die Augen
schauen konnte. »Nein«, sagte er. »Wenn ich mich an Charly rächen wollte, wäre
ich jetzt in irgendeinem Edelclub in L. A., wo ich garantiert gesehen würde,
oder ich wäre in San Diego, um auf Teufel komm raus mit ihrer besten Freundin
zu vögeln, die mir dieses generöse Angebot mehr als einmal gemacht hat und die
am Telefon hängen und es aller Welt erzählen würde, ehe ich auch nur die Hosen
wieder anhätte.«
»Ich
bin hier in Arizona«, fuhr er fort, »weil ich die heilende Kraft dieser Wüste
brauche. Und ich bin mit dir hier, weil du mir viel bedeutest, ganz einfach.«
Tränen
traten mir in die Augen. Eine quoll über, und er wischte sie weg. »Du fängst
doch jetzt nicht an zu weinen, oder? Wenn Frauen weinen, kommen mir auch immer
die Tränen.«
»Nein,
ich weine nicht. Ich hasse Weinen, außer ich will damit etwas erreichen.«
»Gut.
Ich bin nämlich kein hübscher Anblick, wenn ich weine. Also hätten wir das
geklärt?«
»... Das
schon.«
»Da
ist noch was?«
»Hm.«
»Sag’s
mir.«
Ich
rollte von ihm herunter und sah empor in das diffuse Dämmerlicht. »Ricky,
vertraust du mir?«
»Das
weißt du doch.« Aber sein Ton verriet jetzt Vorsicht.
Shar
sagt immer, im Zweifel auf Risiko gehen. Ich habe diese Devise stets gehasst,
aber in diesem Moment verstand ich den Impuls.
Ich
sagte: »Wenn du mir vertraust, dann erzähl mir von Patricia Terriss.«
Das
Schweigen schien sich über Stunden hinzuziehen. Schließlich beugte er sich zum
Nachttisch, nahm einen Joint aus der Schublade und zündete ihn an. Dann sagte
er mit Anspannung in der Stimme: »Heute schmeißen wirklich alle mit diesem
Namen um sich.«
»Ist
das die Frau, die dich vor drei Jahren verfolgt hat?«
Er
reichte mir den Joint. »Du weißt also auch davon. Shar muss es von meiner alten
Freundin Letta James erfahren haben. Komisch, bis eben, auf der Fahrt hierher,
hatte ich ganz vergessen, dass ich es Letta erzählt hatte. So blau war ich
damals. Aber ich erinnere mich nicht daran, ihr Patricias Namen gesagt zu
haben.«
»Shar
hat dich und Charlene ihretwegen streiten hören.«
»Ich
frage mich nur, woher Charly den Namen kannte.«
»Sie
hat die Rechnung des Anwalts gefunden, den du wegen dieser Terriss konsultiert
hast.«
»Wann
hat sie die gefunden?«
»Vor
einem Jahr etwa.«
Er
nahm mir den Joint aus den Fingern, zog daran. »Das war es also — Charly hat
ihre Schlüsse gezogen, ohne es auch nur für nötig zu halten, mich zu fragen.«
Ich
sagte nichts.
»Eigentlich
war es vorher schon zu Ende; wir wollten es uns nur nicht eingestehen. Kennst
du das, dass irgendetwas Äußeres passiert, und plötzlich ist nichts mehr wie
vorher? Bei Charly und mir war es der Brand in Pacific Palisades. Wir
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