Das gebrochene Versprechen
Die
hatten anscheinend eine wilde Nacht.«
Gänsehaut überkam mich; was er
mir bis jetzt erzählt hatte, reichte noch nicht, um einen abgebrühten
Motelbesitzer zu erschüttern. »War da noch irgendwas?«
»...Ja. Im Bad. Da war Blut.
Jede Menge, an der Wand über der Badewanne und an den Handtüchern und auf dem
Badevorleger. Ein paar Handtücher fehlten auch.« Er schüttelte den Kopf, die
blassen Augen traurig und verwirrt. »Können Sie sich das vorstellen? Ein Mann,
der mit einer Frau Sex hat und sie so verletzt, dass da so viel Blut ist?«
Ein Mann, der mit einer Frau
Sex hat und sie so verletzt, dass da so viel Blut ist ...
Nein, nicht ein Mann — Männer.
Die Worte des Motelbesitzers
ratterten mir durch den Kopf. Den ganzen Weg zurück nach L.A., den ganzen Weg
durch die endlosen Staus und dann weitet; auf der relativ freien Strecke bis
nach San Diego.
Wie um Himmels willen sollte
ich das Ricky beibringen?
Wie brachte man jemandem bei,
dass seine Jugendfreunde, die Kumpels, mit denen er den langen Weg zum Erfolg
geschafft hatte, die Männer; denen er sein schlimmstes Problem anvertraut
hatte, die Bandmitglieder, deren Tod er immer noch betrauerte — dass diese
Kerle der letzte Abschaum gewesen waren? Wie sagte man ihm, dass sein
selbstsüchtiges Handeln und sein idiotischer Leichtsinn womöglich dazu geführt
hatten, dass eine junge Frau ernsthaft verletzt worden — oder sogar ums Leben
gekommen war?
Nein, tot konnte die Terriss ja
nicht sein. Sie steckte ja wohl hinter diesem Rachefeldzug. Oder? Vielleicht
rächte ja jemand ihren Tod? Aber das konnte auch nicht sein. Wenn Dan und Benjy
sie getötet hatten, dann hatten sie das Verbrechen gut vertuscht; niemand
wusste davon.
Ich war so in Gedanken, dass
ich beinahe die Ausfahrt La Jolla verpasste, und als ich vor dem Sorrento
einparkte, knallte ich mit der Stoßstange gegen den hohen Bordstein. Ich lief
in das Gebäude und hinauf in Rickys Suite und dachte dabei mit Grauen an das
Gespräch, das uns bevorstand. Aber oben sah ich, dass im Moment ganz anderes
angesagt war.
Das Wohnzimmer war voller
Leute. Mittendrin erspähte ich Kurt Girdwood am Telefon; er marschierte laut
redend auf und ab, in der Linken den Apparat, dessen Schnur in ständiger Gefahr
war, aus der Steckdose gerissen zu werden. Der Anwalt Ethan Amory saß auf einem
Sessel bei der Balkontür und beobachtete ihn, reglos und konzentriert, bereit,
sich jederzeit einzuschalten. Forrest Curtin, Jerry Jackson und mehrere Männer
und Frauen, die ich nicht kannte, standen herum und unterhielten sich leise.
Linda Toole, Rickys PR-Managerin, die ich bei der Hauseinweihung kennen gelernt
hatte, telefonierte von einem Handy aus. Toole war eine kleine Frau mit
stacheligem dunklem Haar, zahlreichen silbernen Ohrringen und einem unglaublich
kurzen Rock über bunt gemusterten Leggins. Ihre Stimme konkurrierte jedoch
überraschend erfolgreich mit der von Girdwood.
Schließlich entdeckte ich Ricky
und Rae auf dem Sofa. Er hockte auf der Kante, drückte mit einer Hand Raes Knie
und schien so unter Strom, als müsste er gleich auf die Bühne. Rae betrachtete
ihn aufmerksam. Ich ging rasch zu ihnen hin und fragte: »Was ist los?« Er
sagte: »Weißt du noch, ich habe dich doch gefragt, was denn in einem einzigen
Leben noch alles schief laufen kann? Na ja, hier siehst du’s.«
Girdwood brüllte: »Verdammt
nochmal, Sie sagen jetzt diesem Wichser, dass er mich in der nächsten
Viertelstunde zurückrufen soll, oder er sitzt in der Scheiße, aber richtig! Ich
rede von einer Schadensersatzklage, Baby, Schadensersatz in siebenstelliger
Höhe! Sagen Sie ihm das, mal sehen, ob er dann mit mir redet!« Er knallte den
Hörer auf den Apparat und tat ein paar Schritte auf uns zu, aber die Schnur
bremste ihn. Mit einem wütenden Blick riss er sie aus der Wand und feuerte dann
den Apparat auf den Boden.
Rae zuckte zusammen, und Ricky
sagte: »Ziff weicht dir also immer noch aus?«
»Ja, das Arschloch.«
»Was machen wir jetzt?«
»Du hast’s ja gehört — wir
verklagen sie auf Schadensersatz! Siebenstellig, achtstellig vielleicht sogar.
Wir schießen Transamerica raus aus dem Business. Richtig, Ethan?«
Der Anwalt legte die
Fingerspitzen aneinander und stützte das Kinn darauf. »Diese Option besteht
nicht. In Ricks letztem Vertrag wurde nirgendwo ausdrücklich festgelegt, dass
Transamerica Radio-Promoter für diese Single losschicken muss.«
»Aber warum denn nicht,
Himmelherrgott?«
»Versuch
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