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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
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hinuntergehen, hörte die Tür zu laut ins Schloss fallen.
    Hat er sich gefragt, was Hebe, die so schön und so sexy war, an mir fand? Hat er sich gefragt, warum sie mich als ihre Freundin bezeichnete? Er weiß ja nicht, wie sehr sie es genoss, dass sie mich hatte, die sie begönnern, der sie sich überlegen fühlen konnte – mich, den Sperling, den niemand beachtete, wenn sich der Pirol neben ihm niederließ.
    Gerry rief an, und ich wurde den Verdacht nicht los, dass er sich bei mir nur meldete, weil alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft waren. Er habe am Freitag niemanden für Justin, könnte ich vielleicht … Manche Leute, besonders Männer, denken immer, dass außer ihnen niemand zu arbeiten braucht. Aber nachdem ich mich schon fast damit abgefunden hatte, ihn nie wiederzusehen, war das eine gute Nachricht, und ich sagte, ich würde ihm zuliebe den Tag freinehmen. Diesmal drehte mir Justin nicht den Rücken zu, er sagte nicht, ich solle weggehen, sondern ließ sich von mir küssen und legte mir die Arme um den Hals. Auch Gerry schien sich zu freuen, dass ich da war, und sagte, wie dankbar er für alles sei, was ich für ihn getan habe. Ich sei die Einzige, auf die er sich voll und ganz verlassen könne, wie schade, dass ich so weit weg wohnte.
    Als er los musste, ging ich mit ihm in die Diele. »Sie fehlt mir so sehr, Jane«, sagte er plötzlich, nahm mich in die Arme und drückte mich an sich. Das hatte seit vielen Jahren niemand mehr gemacht. Ich spürte seine Wärme und seinen Herzschlag durch meine Sachen hindurch. Als er weg war, hob ich in der Küche Justin aus seinem Kinderstühlchen, nahm ihn auf den Arm, tanzte mit ihm herum und sang »Rirarutsch, wir fahren mit der Kutsch …“, bis er juchzte vor Vergnügen.
    Gerry würde wieder heiraten. Warum nicht mich? Ich passte besser zu ihm als Hebe, ich würde ihn nicht betrügen, Justin würde mich bald so lieben, wie er sie geliebt hatte. Gerry hätte mich nicht so umarmt, wenn ich ihm nicht etwas bedeutete. Merkte er allmählich, dass Hebe ihm nie eine gute Ehefrau gewesen war, ihn nie wirklich geliebt hatte?
    Während ich Justin in seinen Buggy setzte – ich wollte mit ihm zum Welsh-Harp-Stausee –, wurde mir klar, dass ich keine Ahnung hatte, wie man sich einen Mann angelt und ihn hält. Ich konnte es nur so versuchen, dass ich für ihn da war – die Einzige, auf die er sich voll und ganz verlassen konnte.

9
    Als Minister hast du das Problem«, hatte Jack Munro mal zu mir gesagt, »dass du außerdem noch Abgeordneter bist. Nur weil du zum Unterstaatssekretär im Innenministerium – oder in Ivors Fall im Verteidigungsministerium – ernannt worden bist, hörst du nicht auf, deine Wähler im Parlament zu vertreten.« In seinen zwei Jahren im Unterhaus hatte Ivor seine Wahlkreispflichten gewissenhaft erfüllt, hatte seine wöchentliche Sprechstunde gehalten, war so vielen Verpflichtungen in Morningford nachgekommen, wie er eben konnte, ohne sich zu zerreißen, und hatte sich verständnisvoll die Sorgen seiner Wähler angehört. Davon ging er auch als Minister nicht ab. Er hatte den Ehrgeiz, gut und geschätzt zu sein, aber das war hart. Die Menge, das Wahlvolk, dem man das schwere Amt verdankt, ahnt davon nichts.
    Ivor schlug sich nicht schlecht. Er saß auf den Regierungsbänken in der ersten Reihe, wenn dort Platz für die rangniederen Minister war, er sprach gut und nie zu lange, nahm an den zahllosen Sitzungen teil, die so ein Amt mit sich bringt, und im Juli, eine Woche vor dem Beginn der parlamentarischen Sommerferien, flog er für zwei Tage auf den Balkan, um den britischen Luftstreitkräften im Ausland moralisch den Rücken zu stärken. Sobald er sich nach dem Ende der Sitzungsperiode am Donnerstag in London freimachen konnte, fuhr er nach Ramburgh, um seine Samstagssprechstunde zu halten, die Blumenausstellung oder das Erntedankfest zu eröffnen, abends auf dem Jahrestreffen der Konservativen Partei zu sprechen oder an einem von der Handelskammer für die Einzelhändler der kleinen Stadt veranstalteten Essen teilzunehmen.
    Am 2. August überfiel der Irak Kuwait. Amerikanische Truppen, unterstützt von Verbänden europäischer, arabischer und asiatischer Länder, wurden nach Saudi-Arabien entsandt, um das Königreich vor einem Angriff der Iraker zu schützen. Obwohl das Parlament nicht tagte, war Ivor dadurch noch stärker beansprucht als sonst. Die Krise verschärfte sich und brachte ihm zusätzliche Arbeit, als der Irak am 28. August

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