Das Geburtstagsgeschenk
treffen. Die Männer, die wir von der Arbeit her kennen, sind verheiratet oder verlobt oder haben eine feste Freundin. Wir hatten natürlich alle mindestens ein Verhältnis oder eine kurze Affäre mit einem verheirateten Mann gehabt, der sich aus Angst oder schlechtem Gewissen über kurz oder lang wieder aus dem Staub gemacht hat. Wochenenden, die Frauen mit einem Freund oder mit Mann und Kindern so viel bedeuten, sind für uns ganz schlimm, Wochenendnachmittage noch schlimmer. Keine von uns sieht besonders gut aus, keine hat Charme oder dieses Temperament, das die Männer mögen. Wenn wir auf die dreißig zugehen oder diese Grenze überschritten haben, ist klar, dass keine unverheirateten Männer mehr für uns übrig geblieben sind und wir keine Kinder kriegen werden, es sei denn welche aus dem Reagenzglas. Ich glaube nicht, dass Ivor Tesham auf uns, diese gesichtslose Sippe, auch nur einen Gedanken verschwendet, wir sind höchstens gut genug, der verheirateten Freundin ein Alibi zu verschaffen, damit die in kniehohen Schnürstiefeln und Reizwäsche in seinem Schlafzimmer herumstolzieren kann.
Ich wollte gerade wählen, als das Telefon loslärmte. Vielleicht Gerry? Nein, natürlich war es Mummy, die wissen wollte, wie die Beerdigung gewesen sei.
»Bescheiden. Was hast du denn erwartet?«
Sie verbitte sich diesen Ton, sagte sie, sie habe nur eine ganz simple Frage gestellt, es gehöre sich einfach, Anteilnahme zu zeigen. »Wie trägt er es?«
»Leidlich. Es war keine sehr glückliche Ehe.«
»Davon hast du ja früher nie was gesagt, Jane!«
»Früher war sie ja auch noch nicht tot.«
Darauf zu reagieren war wohl unter ihrer Würde. Sie habe für meinen Geburtstag im nächsten Monat »eine bestimmte Summe« auf mein Konto überwiesen. »Eine bestimmte Summe« sind bei ihr immer fünfzig Pfund, natürlich bedankte ich mich brav, auch wenn ich keine sehr hohe Meinung von Leuten habe, die sich einbilden, sie könnten sich Zuneigung mit Geld erkaufen. Aber komischerweise hatte mir das Gespräch Auftrieb gegeben, und als sie Schluss gemacht hatte, holte ich tief Luft und wählte Ivor Teshams Nummer. Minister nehmen immer Aktenkoffer mit nach Hause, die berühmten Red Boxes, nicht? Vollgestopft mit irgendwelchen Dokumenten. Nachdem es zehnmal geläutet hatte, nahm er ab, sah (so stelle ich mir das vor) von seinen Papieren auf und sagte wieder »Ja?« – in diesem hochnäsigen Ton, den er bestimmt nicht anschlagen würde, wenn er einen Anruf der Premierministerin erwartet hätte.
»Hier spricht Jane Atherton.«
Eine Pause. In Pausen ist er gut. Dann: »Ah ja, die Alibi-Lady.«
Die Stimme machte mich wieder fertig. Nicht so sehr, dass mir die Tränen gekommen wären und ich aufgelegt hätte wie beim ersten Mal, aber sie raubte mir alle Kraft, so dass ich am liebsten auf das verzichtet hätte, was ich ihm hatte sagen wollen. Aber – was hatte ich eigentlich sagen wollen?
»Ich denke, wir sollten uns treffen«, sagte ich. »Es gibt Gesprächsbedarf.«
Keine Ahnung, was ich damit eigentlich meinte. Das Wort war plötzlich da, und ich sprach es aus. Ich rechnete mit einer arroganten oder pampigen Antwort, und als die nicht kam, wusste ich, dass er Angst hatte.
»D’accord «, sagte er – ein Ausdruck, den ich gelesen, aber noch nie gehört hatte. »Wann und wo?«
Würde ich seine Wohnung in Westminster vorschlagen, würde er ablehnen, das war mir klar, und genau deshalb schlug ich sie vor, und natürlich lehnte er ab. Woher weiß ich, die noch nie so was gemacht hat, wie das läuft? »Dann kommen Sie eben zu mir«, sagte ich und gab ihm meine Adresse. »Morgen Abend, halb acht?«
Er willigte ein, sagte auf nettere Art: »Bis dann!« Und schließlich ganz freundlich: »Adieu.«
Ich wusste, warum. Er erhoffte sich einiges von mir (Mummy hätte gesagt: Der wittert Morgenluft!), weil ich ihn abends in meine Wohnung eingeladen hatte. Aus seiner Sicht war damit klar, dass ich mit ihm schlafen, dass ich mich vielleicht als zweite Hebe entpuppen würde, genauso schön und – es muss einfach raus – genauso leicht zu haben.
Der nächste Tag war ein Mittwoch. Einkaufstag. Wenn Ivor Tesham zu mir kam, würde ich ihm was anbieten müssen, zumindest einen Drink. Whisky? Gin? Wodka? Aber was war, wenn er nur Brandy trank oder Burgunder oder Bier? Es war witzlos und hieß Geld zum Fenster rauswerfen, extra für ihn was zu kaufen, das kann ich mir nicht leisten. Den Rest Wein hatte ich nach dem Gespräch mit ihm
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