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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
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dahin. Natürlich nicht von einem Tag auf den anderen. Es würde mit einer boshaften Bemerkung in einer Kolumne anfangen, am nächsten Tag würden vielleicht ein paar Zeilen in einem Artikel über Skandale in der Regierung nachkommen. Dann, nach drei oder vier Tagen, würden eine ganze Spalte folgen, ein Interview mit ihm, eine Stellungnahme der Polizei, ein paar Worte von einem »Freund« im Parlament oder in seinem Wahlkreis. Ende der Woche wäre die Affäre dann auf der ersten Seite angekommen und Aufmacher in den Skandalblättern. Die Entführung, die Pistole, die beiden Toten – all das würde man noch einmal lesen können. Bis dahin hätte man ihm aber schon den Rücktritt nahegelegt, oder er hätte ihn von sich aus angeboten.
    Doch nichts von dem war an jenem Nachmittag Thema, wir hatten es ja alles schon zur Genüge erörtert. Ob ich nicht fände, dass Ivor »ziemlich oft mit Erica Caxton zusammen sei«, fragte Iris, als Ivor gegangen war.
    »Meinst du? Heute zum Beispiel trifft er sie gar nicht, er hat keine Zeit.«
    »Ich habe gar nichts dagegen, im Gegenteil. Wird es nicht langsam Zeit, dass er heiratet?«
    Sie sei etliche Jahre älter als er, sagte ich, und ihr Mann erst ein paar Monate tot.
    »Nur vier Jahre älter«, sagte Iris. »Ich sage ja auch nicht, dass gleich was passieren muss. Ich sage nur, dass ich es gut fände. Wenn er heiratet, bekommt er Ramburgh House, und Mutter und Paps wohnen im ›Witwensitz‹. Erica als Schwägerin könnte ich mir gut vorstellen.«
    Doch aus all dem sollte nichts werden.
    Im Mai hatte die Entführungsstory den Mord an Sandy Caxton von der ersten Seite verdrängt, auf den Innenseiten aber sorgte die Presse dafür, dass man ihn nicht vergaß. Im Unterhaus (und wiederholt in der Presse) wurde die Frage gestellt, wie es um die Bewachung früherer Minister für Nordirland stand. Müssten solche Menschen nicht über ihre Amtszeit hinaus, ja ihr Leben lang geschützt werden?
    Nach Sandys Tod hatte es in Großbritannien und in Westdeutschland eine Reihe VON IRA-Anschlägen gegeben. Kapuzenmänner hatten einen Soldaten erschossen, der mit zwei Kameraden auf dem Bahnhof von Lichfield auf einen Zug wartete, und die anderen beiden schwer verletzt. Auf dem Dach der Honorable Artillery Company in London ging eine Bombe hoch und verletzte siebzehn Zivilisten, meist Studenten, die eine Volljährigkeitsparty feierten. Eine weitere Bombe im Eingang zum Carlton Club, dem Treffpunkt zahlreicher Tory-Größen, verletzte einen Pförtner schwer und zwei weitere leicht. Und so könnte ich noch vieles anführen, unter anderem den Mord an einer Nonne im County Armagh und eine Explosion an der Londoner Börse.
    Ende Juli kam bei einem Attentat, das sich wie ein Echo des Mordes an Sandy Caxton ausnahm, Ian Gow, Abgeordneter für Eastbourne, früher persönlicher Referent von Margaret Thatcher und später Staatsminister im Schatzamt, ums Leben, als im Dorf Hatcham bei Eastbourne, wo er wohnte, EINE IRA-Bombe unter seinem Auto explodierte. Am nächsten Tag erklärte DIE IRA, GOW sei ermordet worden, weil er bei der Gestaltung der britischen Nordirlandpolitik, unter anderem auch bei den Hungerstreiks in den 8oer Jahren und den mit rücksichtslosem Waffeneinsatz verbundenen Operationen von 1982, eine zentrale Rolle gespielt habe. Gows Name stand – wie der von Sandy – auf einer Todesliste DER IRA, die man 1988 in einer Südlondoner Wohnung gefunden hatte.
    Presse und Fernsehen hatten all die Monate über polizeiliche Ermittlungen oder Aktivitäten zur Ergreifung von Sandy Caxtons Mördern nichts gebracht. Erst eine Woche nachdem Ivor uns im September in Cravery besucht hatte, erschien eine kurze Meldung im Evening Standard, in der es nur hieß, ein Londoner sei der Polizei bei ihren Ermittlungen im Mordfall Caxton behilflich. Ich las sie, nahm sie aber nicht anders zur Kenntnis als andere Bürger auch, die sich über diese ruchlose Tat empörten. Am nächsten Morgen war es die Nachricht des Tages. Der Mann, den die Polizei seit sechsunddreißig Stunden festhielt, war Sean Brendan Lynch, 29, aus Paddington, Westlondon.
    Ich war ziemlich sicher, dass Ivor es erfahren würde. Er las täglich mindestens zwei Zeitungen von der ersten bis zur letzten Zeile. Aber ich wollte mit ihm sprechen, denn ich war mir nicht sicher, ob er den Ernst der Lage ganz erfasst hatte, und fragte telefonisch an, ob ich abends um sechs auf einen Drink ins Unterhaus kommen könne.
    »Du weißt es also«, sagte er nur.
    Er

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