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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
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eine Eingebung, was ich zu ihm sagen, wie ich die Zeit – eine halbe Stunde vielleicht – nutzen würde. Ich setzte mich ihm gegenüber. »Sie werden sich gefragt haben, warum ich Sie hergebeten habe«, sagte ich und zwang mich zu einer kleinen Pause. »Machen Sie kein so besorgtes Gesicht«, fuhr ich fort, obwohl er gar nicht besorgt aussah. »Ich habe mir gedacht, Sie hätten vielleicht gern etwas von Hebe als Andenken.«
    Er senkte den Kopf ein wenig, es war kein richtiges Nicken, mehr so die Bewegung, wie sie die Mitglieder des Oberhauses machen, langsam von oben nach unten, wenn sie den Saal betreten. Was hatte er erwartet? Wahrscheinlich, dass ich etwas über den Wagen und den Unfall und die Pistole sagen würde. Jetzt hätte er eigentlich erleichtert sein müssen, aber anzusehen war ihm nichts. Seine Gesichtsfarbe – ein helles Oliv – blieb unverändert. Ob wohl sonst noch jemand von seiner Affäre weiß?
    »Hebes Mann hat gesagt, ich soll mit ihrem Schmuck machen, was ich will. Ihre Garderobe habe ich schon an karitative Einrichtungen verschenkt. Möchten Sie den Schmuck mal sehen?«
    Jetzt tat er den Mund auf. »Ja, gern.«
    Er hat eine sehr schöne Stimme, gemessen, kultiviert, typisch Privatschule eben. Und in der Stimme schwang tatsächlich Erleichterung mit. Ich hatte ihn also offenbar nicht hergebeten, um ihn zu bedrängen oder zu bedrohen, sondern – eine normale und durchaus übliche Geste – um ihm, dem trauernden Hinterbliebenen, ein Andenken an die Tote zu übergeben.
    In meiner Wohnung konnte ich mich außer ins Bad nirgends vor einem Besucher zurückziehen, konnte nicht so tun, als ob ich Hebes Schmuck irgendwo anders her holte als aus der Küchenschublade, aber er guckte mir sowieso nicht auf die Finger. Er blieb in seinem Kaminsessel sitzen, schaute aus dem Fenster auf die reizlosen Blumenrabatten von Kilburn-Brondesbury, auf die Reihe der kleinen Einfamilienhäuser aus rotem Backstein, die sich am Hang hinzieht, die gedrungene protestantische Kirche. Ich kramte bis auf die Perlen allen Schmuck heraus, legte ihn auf ein Plastiktablett mit Abbildungen von britischen Vögeln und stellte es auf meinen Versandhaus-Couchtisch.
    Natürlich hatte er die Perlen erwartet, stattdessen lagen da die Kette aus roten Glasklunkern, eine zweite Kette, von der das Falschgold abblätterte, ein Fußreif aus rotem und grünem Plastik, ein Ring aus Weißmetall mit einem großen rosa Stein – wahrscheinlich Glas –, ein halbes Dutzend kitschig-glitzrige Ohrringe und eine Brosche aus rosa Porzellan in Form einer Rose.
    »Sie hatte auch ein paar gute Stücke«, sagte ich und wusste, dass er immer noch wartete. »Ihren Verlobungsring, ein Medaillon und einen goldenen Armreif möchte Gerry behalten, das kann man ja verstehen.«
    »Ganz recht«, sagte er, weil er irgendwas sagen musste.
    Ich merkte zu meiner Überraschung, dass ich allmählich Spaß an der Sache bekam. Das ungewohnte Machtgefühl war mir zu Kopf gestiegen. Er kriegte es nicht fertig, nach den Perlen zu fragen, er konnte nicht sagen: »Ich habe ihr eine wertvolle Perlenkette geschenkt, weil ich glaubte, wir würden viele Jahre zusammenbleiben. Für ihren Mann war sie nicht gedacht.« Er würde lieber fünftausend Pfund in den Wind schreiben oder was die Perlen eben wert sind, als vor mir als geizig und geldgierig dazustehen. Wahrscheinlich hatten sie ihm von klein auf beigebracht, dass es sich nicht gehört, über Geld zu sprechen – aber unsereiner kann sich so was nicht leisten.
    »Möchten Sie irgendwas davon haben?«, fragte ich und war so erfüllt von diesem neuen Machtgefühl, dass ich am liebsten laut herausgelacht hätte.
    »Vielleicht diese kleine Brosche?« Er griff nach der Porzellanrose.
    »Hübsch, nicht? Ich schau mal nach einer Schachtel.«
    In der Schachtel, die ich in der Schublade fand, war die rote Glasklunkerkette gewesen. Ich tat die Porzellanrose hinein und legte dabei meine Hand kurz auf das schwarze Lederetui, in dem die Perlen auf ihrem rosa Samtbett ruhten.
    Ivor Tesham dankte mir überschwänglich, es sei sehr liebenswürdig von mir. Er wisse, dass ich Hebe eine gute Freundin gewesen sei. Dann ritt mich der Teufel. »Weil ich für sie gelogen und ihren Mann hintergangen habe?«, fragte ich und lachte herzhaft, um der Frage den Stachel zu nehmen, und nach einer Schrecksekunde lachte er auch. Er hatte mir, als er kam, nicht die Hand gegeben, jetzt tat er es. Ich hörte seine Schritte schnell – zu schnell – die Treppe

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