Das gefallene Imperium 1: Die letzte Bastion (German Edition)
bekommen.«
Die Terranisch-Imperiale Liga verfügte an der Spitze zwar über einen Kaiser, dieser war jedoch mehr oder weniger nur eine Galionsfigur ohne echte Macht, zu wenig mehr als repräsentativen Zwecken befugt. Die Liga war eine konstitutionelle Monarchie. Die wahre Macht lag in Händen des Senats. Trotzdem wäre die Gefangennahme oder sogar der Tod des Kaisers für die Moral von Militär und Bevölkerung ein schwerer Schlag, der kaum wiedergutzumachen war.
Wut kochte in Carlo hoch und er bedachte den Flottenoffizier mit einem zynischen Blick.
»Warum sind Sie geflohen? Sie hätten bleiben und bei der Verteidigung der Erde helfen sollen.«
Carlo konnte sich diese Spitze nicht verkneifen. Zu tief saß der Stachel der Scham in seinem Fleisch und seiner Seele. Er selbst hätte auf der Erde sein müssen. Tief in seinem Inneren wusste er, dass die Anwesenheit der 18. Legion keine Rolle gespielt und das Ende lediglich hinausgezögert hätte, eine leise Stimme im hintersten Teil seines Schädels flüsterte ihm jedoch etwas anderes zu, dass es eben doch einen Unterschied gemacht hätte.
Lestrade zuckte zurück, als hätte er eine schallende Ohrfeige erhalten. Ärger und verletzter Stolz verdrängten vorübergehend Erschöpfung und Lethargie, die von ihm Besitz ergriffen hatten.
»Denken Sie wirklich, ich wäre freiwillig gegangen? Es wurde mir befohlen , General. Wäre es nach mir gegangen, wäre ich liebend gern im Solsystem geblieben und wäre an der Seite der übrigen Verteidiger gefallen. Ich habe den Großteil meiner Einheit verloren, um die Blockade zu durchbrechen.«
»Und doch sitzen Sie hier vor mir, höchst lebendig.«
Carlo fühlte eine Hand auf seiner Schulter. René war, ohne dass er es bemerkt hatte, neben ihn getreten. Die ruhige, unaufdringliche Präsenz seines Freundes beruhigte ihn praktisch auf der Stelle und er atmete einmal gut durch. Dass er sich unfair verhielt, war ihm durchaus klar, es kümmerte ihn jedoch wenig.
»Und wie lauteten Ihre Befehle, Commodore?«, fragte René leise.
Lestrade beruhigte sich angesichts dieser sachlichen Frage ebenfalls. »Wir bekamen den Befehl, die imperiale Datenbank und das Archiv der Lunabasis zu kopieren und alles zu unternehmen, um sie außer Reichweite des Gegners zu halten. Einschließlich der darin enthaltenen Sternenkarten der Terranisch-Imperialen Liga.«
Alle Anwesenden sogen scharf die Luft ein. Offenbar hatte Lestrade diese Information bisher für sich behalten. Das war in der Tat eine lohnende Neuigkeit. Die Sternenkarten des Archivs umfassten sämtliche von Menschen bewohnten Welten, einschließlich der notwendigen Sprungkoordinaten.
Carlos Zorn war mit einem Mal verflogen. Falls den Drizil diese Daten in die Hände gefallen wären, hätte es sie in die Lage versetzt, alle Welten des Imperiums aufzuspüren. Auch jene, die sie bisher nicht gefunden hatten und von denen sie nicht wussten. Lestrades Handeln hatte vermutlich unzählige Leben gerettet, nicht zuletzt die Bewohner von Perseus und die Legionäre der 18.
»Ich bitte um Entschuldigung«, erklärte er etwas steif. »Mein Ausbruch von eben war unwürdig. Sie haben viel riskiert, um hierher zu kommen. Bitte verzeihen Sie.«
Lestrade überlegte einen Moment. Er schien mit sich selbst zu hadern, rang sich jedoch zu einem knappen Nicken und sogar zu einem schiefen Lächeln durch, das nur ein ganz klein wenig gezwungen wirkte.
»Warum sind Sie ausgerechnet hierher gekommen?«, fragte René.
»Weil Perseus die einzige Welt ist, von der ich sicher sein konnte, dass die Drizil sie noch nicht gefunden haben. Sie sind die am weitesten entfernte Kolonie der Liga. Sie sind die einzige Hoffnung.«
»Auf was?«, fragte Lord Gouverneur Cavanaugh.
»Auf Widerstand«, erwiderte Lestrade verwundert, als wäre allein schon die Frage ein Ding der Unmöglichkeit.
Der Gouverneur schnaubte ungläubig, doch ein strenger Blick Carlos ließ ihn augenblicklich verstummen.
»Nun«, sagte Carlo, »ich denke, wir haben alle viel zu verdauen. Ich muss über das Gesagte ausgiebig nachdenken. Ich schlage vor, wir treffen uns morgen zu einer Besprechung, um über unser weiteres Vorgehen zu beratschlagen.«
»Das klingt sinnvoll«, bemerkte René.
»Commodore Lestrade«, sprach Carlo weiter. »Sie sind natürlich eingeladen, als unser Gast hierzubleiben. Ich nehme an, man hat Ihnen bereits ein Zimmer zugewiesen.«
»In der Tat. Aber was ist mit meinen Leuten? Sie sind schon ein halbes Jahr in den Schiffen
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