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Das Geflecht

Das Geflecht

Titel: Das Geflecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Laudan
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hinunter, kam zu der Kammer mit dem eingebrochenen Boden, ließ sich ohne Zögern an der Abbruchkante hinab und passierte den schmalen Durchgang zur Höhle. Der gewundene Gang führte abwärts, zurück in die Tiefe, ins dunkle Innere des Berges. Wie weit war der Weg gewesen? Hundert Meter? Zweihundert?
    Dana war nicht klar, was sie eigentlich vorhatte. Nur eines wusste sie: Sie würde Tia nicht im Stich lassen. Tia hatte sie gerettet, und nun war ihre Retterin dort unten allein mit einem Mann, der sie bedrohte.
    Sie packte die Lampe fester und setzte konzentriert einen Fuß vor den anderen. Ein Durchgang tauchte vor ihr auf, und sie erkannte ihn wieder: Er führte in den labyrinthischen Hohlraum, in dessen Mitte sich die Fallgrube öffnete. Hier mussten sie sein: Tia, Justins Vater und Böttcher.
    Doch Dana sah kein Licht, außer dem Kegel ihrer eigenen Lampe, der über die verwinkelten Säulen glitt. Unsicher trat sieein paar Schritte in den Raum hinein und blieb stehen. Etwas raschelte fern in der Dunkelheit. Erschrocken fuhr sie herum und leuchtete in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, sah jedoch nur unruhig geisternde Schatten.
    «Tia?» Sie verharrte lauschend. «Sind Sie hier?»
    Etwa zwanzig Meter entfernt, hinter einer baumdicken Säule, bewegte sich eine schattenhafte Gestalt.
    «Dana?» Das war Tias Stimme – und sie klang panisch. «Dana! Wenn Sie eine Lampe tragen, machen Sie sie aus!»
    Die Stimme klang ein gutes Stück entfernt – zu fern, wie Dana plötzlich begriff, um zu der Gestalt zu gehören, die auf sie zukam. Ein eisiger Schreck durchzuckte sie, als sie eine breitschultrige, eindeutig männliche Silhouette erkannte, eine Hand nach ihr ausgestreckt, mit der anderen die Augen gegen das grelle Licht beschattend.
    «Dana!», schrie Tia erneut. «Machen Sie die Lampe aus und verstecken Sie sich!»
    Doch Dana war wie erstarrt. Auf einmal – so schien es ihr – war sie wieder sieben Jahre alt und stand im Keller, jenem unübersichtlichen, halb mit Gerümpel zugestellten Raum, der nur ein einziges, vom Staub erblindetes Souterrainfenster besaß. Sie hörte den scharfen Knall, als die Glühbirne durchbrannte, die Sicherung heraussprang und in der ganzen Wohnung das Licht erlosch. Schaudernd stand sie in der Dunkelheit, unfähig sich zu rühren – und stellte sich vor, dass der
böse Mann
aus seinem Versteck hervorkam und sich heranschlich.
    «Dana!» Tias Stimme hallte durch den Raum, während Hartmut Böttcher, der alte Freund von Justins Vater, mit ausgestreckten Händen auf sie zukam.
    «Jeder kann ein böser Mann sein», hatte Danas Mutter ihr stets eingeschärft. «Auch ein Nachbar, ein Bekannter, selbst der Postbote, der an der Tür klingelt.»
    «Das Licht!», schrie Tia. «Machen Sie es aus!»
    Dana stand stocksteif, die Lampe auf den Mann gerichtet, der nur noch zehn Schritte von ihr entfernt war. Vielleicht würde er sich auf sie stürzen, sie zu Boden schleudern oder gar erwürgen – was immer böse Männer mit kleinen Kindern taten.
    Noch acht Schritte   …
    Das Licht!
Endlich begriff Dana – und mit einem Schlag war sie wieder siebzehn, eine junge Frau in einem kräftigen Körper und mit wachem Geist.
    Er will die Lampe, dachte sie. Ich muss die Lampe ausmachen!
    Doch nichts auf der Welt konnte schwerer sein, als sich willentlich der Dunkelheit zu überantworten – jener Dunkelheit, die sie stets gefürchtet hatte, der Dunkelheit, in der das Grauen lauerte.
    Mach die Lampe aus!
    Noch sechs Schritte   …
    Tu es! Tu es!
    Noch vier   …
    Dana überwand sich im allerletzten Moment. Das Licht erlosch. Gleichzeitig wich die Erstarrung von ihr, und sie sprang zur Seite. Böttchers massige Gestalt wurde von der Dunkelheit verschluckt, stürzte knapp an ihr vorbei, stolperte, fluchte. Dana war sicher, dass er sich binnen weniger Augenblicke aufrappeln würde, um ihr nachzusetzen. Sie musste fliehen – doch sie sah rein gar nichts mehr, nicht einmal die Hand vor Augen.
    Wohin? Wohin?
    Unter gewöhnlichen Umständen hätte die Panik sie gelähmt. Doch Dana war nicht mehr dasselbe Mädchen, das am Vorabend hilflos in einem Felsspalt festgesteckt hatte. Inzwischen war sie viele Stunden lang durch dunkle Gänge gewandert, durch Tunnel gerobbt und durch unterirdische Gewässer getaucht.Sie hatte gefroren und gelitten, doch auch gelebt und gelernt. Den Fehler, einfach loszulaufen, vermied sie instinktiv. Stattdessen warf sie sich zu Boden, steckte die nutzlos gewordene Lampe in

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