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Das Geflecht

Das Geflecht

Titel: Das Geflecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Laudan
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raunte Leon ihr zu.
    Dankbar ergriff Tia seinen Arm, während er sie auf die Straße hinausführte. Normalerweise bewegte sie sich selbst an unbekannten Orten relativ sicher. Dennoch tat es gut, sich seiner Führung zu überlassen und für ein paar Minuten die Kontrolle abzugeben.
    «Na? Wie war ich?», fragte sie, wie stets leicht ironisch.
    «Großartig», antwortete Leon, ernsthaft wie immer.
    «Erstaunlich, was die Leute alles wissen wollen – und was nicht», fand Tia. «Keine einzige Frage zu den slowenischen Karsthöhlen, keine einzige über den Grottenolm. Stattdessen muss ich Riechproben machen und mein Privatleben ausbreiten.»
    Leon lachte. «Du kannst nicht erwarten, dass sich dreißig Menschen in einer Kleinstadt für Speläologie interessieren. Die meisten kommen nicht, um einen wissenschaftlichen Vortrag zu hören, sondern weil du ein Star bist.»
    «Ich?» Nun war es Tia, die lachen musste. «Ein Star?»
    «Ja, seit das Kabelfernsehen über die Sache in Biedersheim berichtet hat, kennt dich halb Deutschland, und Zeitungsartikel gab es auch genug. Hinzu kommt, dass ein Foto von dir sich gut als Aufmacher eignet – Wissenschaft verkauft sich immer noch am besten mit einer fotogenen Wissenschaftlerin.»
    «Schmeichler!», spottete Tia, während sie die Straße hinabschlenderten. «Mir soll’s recht sein, solange ich nicht Karaoke singen oder Abendkleider vorführen muss.»
    «Fände ich gar nicht schlecht!», meinte Leon. «Du im Abendkleid   …»
    Tia stupste ihn in die Seite. «Du willst mich nur wieder auf den Arm nehmen.»
    «
An
den Arm – das ist mir lieber», gab Leon galant zurück.
    Tia schwieg, während sie das Klicken einer Ampelanlage hörte, Asphalt unter den Sohlen spürte und schloss, dass sie eine Kreuzung überquerten.
    Er ist so lieb zu mir, dachte sie abwesend. Er begleitet mich, wohin ich auch gehe, macht jede Reise mit, sagt eigene Termine ab – alles nur, damit er bei mir sein kann. Eigentlich sollte ich ein verdammt schlechtes Gewissen haben: Immer bin ich es, die im Rampenlicht steht, während er irgendwo hinter mir imHalbschatten sitzt. Aber er lässt nie ein Wort der Klage laut werden. Stattdessen macht er mir auch noch Komplimente.
    Gerade dies verunsicherte Tia. Es war ein seltsames Gefühl für eine blinde Frau, Anspielungen auf ihr Äußeres zu hören, zumal ihr die Möglichkeit fehlte, deren Wahrheitsgehalt an einem Spiegelbild zu überprüfen. Soweit Tia sich erinnern konnte, war sie mittelgroß, schlank, brünett und unauffällig. Doch Leon war nun einmal ein Charmeur, und zweifellos meinte er es gut. In einem Gefühl plötzlicher Rührung drückte sie unwillkürlich seinen Arm. Er reagierte nicht merklich – abgesehen davon, dass er wie üblich «Stufe!» flüsterte, als sie den Bordstein erreichten.
    «Und – was machen wir noch mit dem angefangenen Abend?», fragte er, als sie die Fußgängerzone erreichten.
    «Keine Ahnung.» Tia gähnte herzhaft. «Wie wär’s damit, ins Hotel zurückzugehen und die Beine hochzulegen?»
    «Und was sagst du zu einem romantischen Candlelight-Dinner in einem gemütlichen Restaurant?»
    «Ach   …» Tia winkte ab. «Vom Candlelight habe ich leider nicht viel.»
    Leon schwieg – es gab offenbar Momente, in denen er vergaß, dass seine beste Freundin blind war.
    «Aber lass dich von mir nicht abhalten!», meinte Tia. «Du kannst mich ja im Hotel abladen und noch ein wenig das hiesige Nachtleben genießen, während ich mir ganz dekadent ein paar Schnittchen aufs Zimmer bestelle.»
    Leon lachte unsicher. «Willst du mich loswerden?»
    «Nicht doch, wo denkst du hin?»
    «Na dann   …»
    Schweigend setzten sie ihren Weg fort, bis sie das Hotel erreichten. Leon stieß die Schwingtür auf und kramte bereits nach dem Zimmerschlüssel, als der Portier ihn ansprach.
    «Warten Sie bitte! Ich habe hier ein Gespräch für Frau Traveen. Scheint sehr dringend zu sein.»
    Tia nahm das Telefon entgegen, das Leon an sie weiterreichte.
    «Ja?»
    «Frau Doktor Traveen?»
    «Hier ist Tia Traveen – vergessen Sie den Doktor, ich bin immer noch Studentin. Mit wem spreche ich?»
    «Mein Name ist Jörn Bringshaus. Ich habe ein Ingenieurbüro in Linden und bin mit der Überwachung der hiesigen Bergwerke beauftragt.»
    «Oh! Nett, Sie kennenzulernen.»
    «Frau Traveen, ich mache es kurz: Es gibt ein Problem. Zwei Menschen sind auf der tiefsten Ebene eines Salzbergwerks verunglückt.»
    «Nanu? Ich dachte, die Salzgruben in Linden seien seit

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