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Das Geflecht

Das Geflecht

Titel: Das Geflecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Laudan
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recht hatte.
     
    Die Zeit verging. Alle paar Minuten blickte Justin auf die Uhr, dann wieder hinaus auf den Platz vor dem Bergwerkstor. Die abgestellten Fahrzeuge schienen mit der Dunkelheit zu verschmelzen. Nur die erleuchteten Fahrerkabinen der Ambulanzen waren weithin zu sehen. Mehrere Rettungshelfer hatten sich dorthin zurückgezogen und überbrückten die Wartezeit, indem sie Zeitung lasen und rauchten. Zwei Feuerwehrleute standen noch immer mit Danas Angehörigen beisammen, und auch die Reporterin war bei ihnen. Gedämpfte Stimmen drangen zu Justin herüber, doch er verstand nicht, was geredet wurde.
    Gegen zehn Uhr beschloss er, dass er etwas unternehmen musste. Zwar hatte der Notarzt behauptet, es könne sich nur noch um Minuten handeln, bis Dana befreit wäre. Mittlerweilejedoch war eine halbe Stunde vergangen. Was auch immer in der unterirdischen Kammer vor sich ging – Justin konnte es nicht länger ertragen, einfach dazustehen und abzuwarten.
    Ich steige jetzt in diesen Stollen hinunter, entschied er. Und niemand wird mich davon abhalten. Meine Freundin ist da unten.
    Als er leise das Gittertor öffnete, um von niemandem bemerkt zu werden, hielt er kurz inne und korrigierte seinen Gedanken.
    Nicht «meine Freundin»   … sondern die Frau, die ich liebe.

••• 22   :   02 ••• BRINGSHAUS •••
    Unruhig sah Jörn Bringshaus auf seine Uhr. Seit einer halben Stunde stand er neben Leon an der Schachtöffnung und lauschte mit wachsender Sorge dem Sprechfunk.
    «Es ist wie verhext», drang Tias Stimme aus dem Gerät. «Ich kriege diesen Vorsprung, der ihre Schulter einklemmt, einfach nicht klein. Wird noch ein wenig dauern.»
    «Tia, lass mich runterkommen und dir helfen!», erbot sich Leon. «Ich habe vielleicht nicht deine scharfen Sinne, aber sicherlich mehr Kraft.»
    «Vergiss es! Es geht hier nicht um Kraft – im Gegenteil, ich muss höllisch vorsichtig sein, um das Mädchen nicht zu verletzen.» Im Hintergrund erklangen Hammerschläge.
    «Du willst immer alles alleine schaffen, nicht wahr?», fragte Leon. «Bist du sicher, dass das in dieser Situation die vernünftigste Lösung ist?»
    «Ich will nicht, dass sich
noch jemand
der Gefahr aussetzt!», gab Tia mit einem Anflug von Ärger zurück. «Hast du FinnsGesicht nicht gesehen? Ich habe dir doch erzählt, in welchem Zustand ich ihn gefunden habe.»
    Leon schwieg betreten und ließ das Funkgerät sinken.
    «Aber das kann doch nicht so weitergehen!», drängte Havermann, der mit zweien seiner Feuerwehrmänner und dem Notarzt vor Ort geblieben war. «Ich wiederhole es noch einmal: Ich bin jederzeit bereit, meine Leute hinunterzuschicken.»
    Die beiden jungen Männer an seiner Seite waren sehr blass geworden, bemühten sich aber, tapfer dreinzublicken. Zweifellos hatte keiner von ihnen Erfahrung im Höhlenklettern, ganz zu schweigen von fremdartigen Gewächsen, die auf menschlicher Haut gediehen.
    Leon seufzte und schüttelte den Kopf. «Wenn Tia meint, dass sie es allein schafft   …»
    «Und wenn nicht?»
    «Dann werden wir auf das Grubenrettungsteam warten», schaltete sich Bringshaus ein. «Der Hubschrauber müsste bald hier sein.»
    «Hoffen wir’s», murmelte Havermann. «Das Wasser macht mir Sorgen! Irre ich mich, oder hat sich der Zufluss verstärkt?»
    Alle folgten seinem Blick. Schon die ganze Zeit über war aus der zerklüfteten Decke und den rissigen Wänden des toten Gangs Wasser herabgetropft. Seit kurzem jedoch verdichteten sich die Tropfen zu stetigen Rinnsalen, und am Boden hatten sich Pfützen gesammelt. Das Wasser bahnte sich seinen Weg zum Müllschacht und floss in dünnen Fäden in die Tiefe.
    «Vielleicht regnet es draußen», vermutete der Notarzt. «Da muss irgendwo eine undichte Stelle sein.»
    Havermann schüttelte den Kopf. «Das ist im Innern eines Salzstocks eigentlich unmöglich. Was meinen Sie, Herr Bringshaus?»
    «Ich   … kann es mir nicht erklären», schwindelte Bringshaus.
    Ich Idiot!, schalt er sich im Stillen. Das mit dem Wassertank war die dümmste Idee aller Zeiten.
    Vor einer Viertelstunde war Böttcher zurückgekehrt und hatte ihm mit einem unauffälligen Kopfnicken zu verstehen gegeben, dass der Job erledigt war. Nun aber drohte der Wassereinbruch die Rettung Danas zu gefährden, die sich viel länger als erwartet hinzog. Gewiss würden einige tausend Liter kaum ausreichen, um den Boden der Höhle zu fluten, doch hatte Bringshaus inzwischen begriffen, dass Dana in einer horizontalen

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