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Das Geflecht

Das Geflecht

Titel: Das Geflecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Laudan
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Felsverwerfung steckte und praktisch mit dem Gesicht am Boden lag. Die Angelegenheit konnte ernst werden – viel ernster, als er in seiner Aufregung kalkuliert hatte, als seine Hauptsorge der allzu neugierigen Höhlenforscherin galt.
    Innerlich verfluchte Bringshaus seinen Jahre zurückliegenden Versuch zur Sprengung der Kammer. Damals hatte er das Deckgestein über der Schachtöffnung gezielt zum Einsturz bringen wollen, um den Zugang zur Höhle zu verschließen. Da er wenig von Sprengarbeiten verstand, hatte er den Explosivstoff niedrig dosiert. Zu niedrig, wie sich herausgestellt hatte: Die Decke hatte der Detonation widerstanden und lediglich Risse gebildet, die sich bis zur nächsthöheren Ebene des Bergwerks hinaufzogen. Und durch diese Risse drang nun das Wasser – viel mehr Wasser, als Bringshaus erwartet hatte   –, wobei es unweigerlich Salze aus dem Gestein löste. Ob am Ende die Gefahr bestand, dass die Decke nachgab und zusammenbrach?
    Was jetzt?, zermarterte sich Bringshaus den Kopf, während er die Hände zu Fäusten ballte, um ihr Zittern zu verbergen. Sie mussten den Wassertank wieder schließen, und zwar so schnell wie möglich   … aber wenn Böttcher ein Loch hineingeschlagen hatte, würde das kaum möglich sein.
    Beklommen tauschte er einen Blick mit Böttcher, den dieser stoisch und ohne sichtbare Regung zurückgab. Offenbar warer keineswegs gewillt, sich ein zweites Mal ins obere Stockwerk zu schleichen. Sein Blick besagte das Übliche: Behalt die Nerven, Jörn!
    Du hast gut reden, gab Bringshaus in Gedanken zurück. Du bist hier nicht für die Sicherheit zuständig! Niemand kennt dich, niemand weiß, dass du überhaupt etwas mit der Angelegenheit zu tun hast. Wenn etwas schiefgeht, bin ich ganz allein dran!
    Bringshaus schreckte auf, als ein unterdrückter Schrei aus dem Funkgerät drang – Danas Stimme.
    «Tia, was ist passiert?», fragte Leon alarmiert.
    Es dauerte einen Augenblick, bis seine Partnerin antwortete.
    «Zwecklos», meldete sie. «Sobald ich auch nur versuche, sie aus diesem Spalt zu ziehen, drückt die Felszacke ihr die Schulter aus dem Gelenk. Ich gebe zu: Momentan bin ich ratlos.»
    «Okay, das reicht!», entschied Leon und griff nach einer der Taschen, die seine Ausrüstung enthielt. «Ich komme runter. – Hier, nehmen Sie das!» Er hielt Bringshaus das Funkgerät hin, während er der Tasche einen gefütterten Overall entnahm. «Halten Sie die Verbindung.»
    Erschrocken ergriff Bringshaus das Funkgerät. Gleichzeitig fing er einen warnenden Blick von Böttcher auf, dessen Bedeutung unmissverständlich war: Der Kerl geht hinunter   … Tu irgendwas!
    «Ich – äh – glaube nicht, dass ich dieses Ding bedienen kann», improvisierte Bringshaus panisch.
    «Kein Problem», sagte Leon, während er den Abseilgürtel anlegte. «Sie müssen keine Knöpfe drücken. Einfach hineinsprechen!»
    In diesem Moment löste sich ein Gesteinsbrocken von der Größe eines Fußballs aus der Decke, stürzte auf den Rand der Schachtöffnung und zerbarst krachend in mehrere Teile.
    «Zurück!», schrie Havermann und scheuchte seine Kollegen in Deckung. «Weg von dem Schacht!»
    Auch Bringshaus wich zurück und starrte auf die Rückwand des toten Gangs. Das Funkgerät in seiner Hand zitterte. Ein weiterer Steinbrocken hatte sich in Bewegung gesetzt und sackte knirschend einige Zentimeter tiefer, ohne herabzufallen. Wasser rann aus den Spalten um seine Ränder.
    Leon war als Einziger der Anwesenden nicht zurückgewichen.
    «Weg da!», rief der Notarzt ihm zu. «Sind Sie lebensmüde?»
    «Ich lasse die beiden da unten nicht im Stich!», erwiderte Leon und zog entschlossen den Reißverschluss seines Overalls hoch.

••• 22   :   17 ••• JUSTIN •••
    Es war der Moment, in dem Justin sich entscheiden musste.
    Er hatte sich an den Feuerwehrleuten im Hauptschacht vorbeigeschlichen, war die Leitern hinuntergeklettert und stand seit zehn Minuten im Schatten hinter dem Eingang zur Abbaukammer, wo er mit wachsender Besorgnis den Gesprächen der Männer lauschte. Ins Licht ihrer Lampen zu treten, wagte er nicht, denn er fürchtete, sein Vater würde ihn wegschicken.
    Als der Gesteinsbrocken von der Decke stürzte, packte ihn nackte Angst, und für einen Moment war er drauf und dran, sich umzuwenden und davonzurennen. Dann aber erfüllte eine wilde Entschlossenheit sein Herz.
    Wenn die Decke einbricht, ist Dana in der Höhle gefangen, dachte er. Falls sie am Leben bleibt, wird es

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