Das gefrorene Licht. Island-Krimi
das möglicherweise Licht auf die Sache werfen könnte.« Sie lächelte beschämt.
»Du hast da was? Was denn?« Er schaute sie forschend an.
»Tja, also, ich hab den Kalender der Frau, die höchstwahrscheinlich das Opfer ist. Mehr so eine Art Notizbuch«, antwortete Dóra, feuerrot im Gesicht, versuchte jedoch, so beiläufig wie möglich zu klingen.
»Was?«, fragte Matthias. »Hast du sie gekannt?«
»Hab sie nie gesehen.«
»Aber du hast ihr Notizbuch? Woher denn?«
»Bin zufällig darauf gestoßen«, sagte Dóra, fügte dann aber ehrlich hinzu: »Eigentlich hab ich’s geklaut. Aus Versehen.«
Matthias schüttelte den Kopf. »Aus Versehen, hm.« Er faltete die Hände und blickte zum Himmel. »Lieber Gott, lass sie die Architektin nicht wegen des Kalenders umgebracht haben. Selbst wenn es nur aus Versehen gewesen sein sollte.«
Jónas stand im Foyer und beobachtete drei Polizeibeamte in Zivil, die sich bereit machten, Birnas Auto zu untersuchen. Sie waren mit einem speziell ausgerüsteten Lieferwagen gekommen, der etwas abseits parkte. Dort waren sie ausgestiegen und hatten, ohne sich im Hotel zu melden, begonnen, den kleinen Sportwagen und dessen direkte Umgebung zu fotografieren. Vigdís hatte Jónas telefonisch darüber informiert, und er war in die Halle geeilt.
»Was tun die da eigentlich?«, fragte Vigdís.
Jónas zuckte zusammen. Er hatte die Aktivitäten der Polizisten so konzentriert verfolgt, dass er Vigdís gar nicht bemerkt hatte. Er griff sich ans Herz und schaute sie an. Dann wandte er sich wieder den Geschehnissen vor der Tür zu. »Anscheinend untersuchen sie Birnas Auto. Gott weiß, warum.«
Vigdís kniff die Augen zusammen. »Vielleicht glauben sie, dass Birna im Auto umgebracht wurde.«
Jónas schüttelte den Kopf. »Der Wagen ist seit Tagen nicht bewegt worden. Ich glaube, das habe ich ihnen auch gesagt.«
»Welche Rolle spielt das denn?«, fragte Vigdís. »Ich meine, sie kann ja auch im Auto hier vor der Tür ermordet worden sein.«
Jónas drehte sich schnell zu ihr. »Was soll der Unsinn? Wir wissen überhaupt nicht, ob es sich um ein Verbrechen handelt, wie können wir dann darüber spekulieren, wo es verübt worden ist!«
Vigdís zuckte die Achseln. »Wer ertrinkt denn schon hier am Strand? Das Wasser ist nur so tief.« Der Zwischenraum zwischen ihrem Daumen und ihrem Zeigefinger betrug einen Zentimeter. »Sie kann nur ermordet worden sein.«
Jónas wollte Vigdís gerade entgegnen, sie solle nicht so übertreiben, als er sah, wie einer der Beamten sein Handy aus der Tasche holte. Schwaches Telefonklingeln drang zu ihnen. Der Polizist ging ran, und sie beobachteten, wie er mit jemandem sprach. Plötzlich schaute er auf und blickte zur Eingangshalle. Er fixierte Jónas, der mit einem mulmigen Gefühl im Magen hinter der Glasscheibe stand. Der Beamte beendete das Telefonat, ohne seinen Blick von Jónas abzuwenden, und kam auf den Hoteleingang zu.
»Wow!«, raunte Vigdís. »Hast du das gesehen? Der will bestimmt mit dir reden.«
Dóra eilte in Jónas Büro. Er hatte sie angerufen und ohne weitere Erklärungen um ihre Anwesenheit gebeten, denn die Polizei würde ihm etwas unterstellen, wovon er keine Ahnung hätte. Kein Wunder, dass sie das Gefühl hatte, Matthias’ Aussage über Jónas sei ein schlechtes Omen gewesen. Ihr schoss durch den Kopf, dass der Gletscher am Ende vielleicht doch über wundersame Kräfte verfügte.
»Entschuldigung«, sagte sie, nachdem sie an Jónas’ Bürotür geklopft und diese geöffnet hatte. Jónas saß mit rot angelaufenem Gesicht am Schreibtisch, ihm gegenüber ein Mann, der Dóra den Rücken zugewandt hatte, sich aber umdrehte, als sie aufmunternd sagte: »Ist hier irgendwas nicht in Ordnung?«
»Nein, hier ist alles in Ordnung«, polterte der Hotelbesitzer und stand auf, um einen dritten Stuhl zum Schreibtisch zu ziehen.
Der Polizeibeamte war mittleren Alters und wirkte unfreundlich. Er erhob sich fünf Zentimeter von seinem Stuhl und reichte Dóra die Hand. Dies genügte, um zu erkennen, dass er ungewöhnlich groß und breit war. »Guten Tag, ich heiße þórólfur Kjartansson. Kriminalpolizei.«
»Hallo. Dóra Guðmundsdóttir, Rechtsanwältin.« Sie schüttelten sich die Hände. »Was ist das Problem?«, fragte sie Jónas.
»Anscheinend denken sie, ich hätte irgendwas mit dem Tod dieser Frau zu tun«, platzte Jónas heraus. Er zeigte auf den Mann und fügte hinzu: »Erst darf er meinen Computer benutzen und den Drucker und
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