Das gefrorene Licht. Island-Krimi
Eigentlich schade, dass ihre Beziehung überhaupt keine Zukunft hatte. Er war Ausländer, und es war unwahrscheinlich, dass er in Island Fuß fassen würde. Als er aufgetaucht war, hatte sie verlegen versucht, Smalltalk zu halten und ihn gefragt, wie ihm das Eurovision-Siegerlied gefallen habe. Er hatte sie verständnislos angeschaut und gefragt, ob sie ihn auf den Arm nehmen wolle. Wer sich nicht für den Eurovision Song Contest interessierte, würde in Island keine sieben Tage glücklich werden. Rasch kleidete sie sich an.
Matthias kam zurück, als sie gerade den zweiten Socken anzog. »Oh«, sagte er enttäuscht, »ich hatte ganz vergessen, dass du Weltrekordhalterin im Schnellankleiden bist.« Er lächelte ihr zu. »Was allerdings den Vorteil hat, dass du dich auch ziemlich schnell wieder ausziehst.«
»Sehr witzig«, sagte Dóra. »Und wie gefällt dir das Hotel?«
Matthias ließ seinen Blick schweifen und zuckte mit den Schultern. »Gut. Ein bisschen abgelegen. Was zum Teufel machst du hier eigentlich?« Er beeilte sich hinzuzufügen: »Ich will mich nicht beschweren. Überhaupt nicht.«
»Ich arbeite für den Eigentümer. Er denkt darüber nach, ein Verfahren gegen die Verkäufer des Grundstücks anzustrengen.«
»Aha. Betrug?«, fragte Matthias, ging zum Fenster und zog die Gardine zur Seite, um die Aussicht zu begutachten. »Schön«, sagte er und drehte sich wieder zu Dóra.
»Ach, das ist alles ziemlich albern. Er behauptet, hier würde es spuken und der ehemalige Besitzer hätte davon wissen müssen.«
»Es spukt, hm.« Matthias’ Gesichtsausdruck war genauso, wie Dóra ihn sich bei dem Richter vorstellte, falls der Fall jemals so weit kommen würde. »So ist das also.«
»Der Hotelbetrieb reagiert sehr sensibel auf solche Dinge. Es ist also nicht ganz so bescheuert, wie es klingt.« Dóra grinste ihn an. »Das ist ein Esoterikhotel. Hier werden ganzheitliche Heilverfahren, Wahrsagen, organische Kost, Kristalltherapie, Magnetfeldtherapie, Aura-Lesen und so weiter angeboten. Die meisten Mitarbeiter haben übersinnliche Fähigkeiten und kommen nicht besonders gut mit Gespenstern aus.«
»Klar«, sagte Matthias und schnitt eine Grimasse. »Alles völlig normal natürlich.«
»Du meine Güte, nein«, antwortete Dóra schnell. »Obwohl das an diesem Ort gar nicht so abwegig ist. Hier befindet sich nämlich schon seit langem eine Hochburg des Glaubens an das Übernatürliche, wenn man das so sagen kann. Zum Beispiel gibt es eine Volkssage über einen Mann namens Bárður, der aus Verzweiflung darüber, dass seine Tochter auf einer Eisscholle nach Grönland gedriftet ist, in den Gletscher hineinging. Der Gletscher soll übernatürliche Kräfte haben. Ich weiß allerdings nicht, ob das mit diesem Bárður zusammenhängt oder vom Gletscher selbst ausgeht.«
»Ein Gletscher mit übernatürlichen Kräften?« Matthias schien solchen Phänomenen keinen großen Glauben zu schenken. »Du meinst doch so einen Berg mit ewigem Schnee, oder?«
»Ha, ha«, entgegnete Dóra. »Der Glaube an die Macht des Gletschers reicht weit über Island hinaus. Kurz vor der letzten Jahrhundertwende sind alle möglichen Leute hierhergekommen, um Außerirdische in Empfang zu nehmen.«
»Und sie wurden bestimmt nicht enttäuscht, was?«
Dóra zuckte die Achseln. »Darüber sind sie sich nicht einig. Der Sprecher der Gruppe hat gesagt, sie seien da gewesen. Allerdings nur im Geiste. Kein UFO oder so. Eine Art Erscheinung.«
»Oder vielleicht Einbildung?« Matthias grinste.
Dóra grinste zurück. »Ja, oder das. Der Berg ist natürlich sehr mächtig.«
»Und was hat das mit einer Leiche zu tun?«
»Ach ja. Die Leiche hat nichts mit diesem Esoterikkram zu tun. Glaube ich zumindest. Der Eigentümer ist allerdings nicht ganz meiner Meinung.« Sie lächelte verlegen. »Er ist ziemlich speziell.«
»Was du nicht sagst.« Matthias hob die Augenbrauen. »Wurde die Leiche hier im Hotel gefunden?«
Dóra erzählte Matthias, wo die Leiche gefunden worden war, dass es sich um eine Frau handelte, die für Jónas gearbeitet hatte, und dass sie vermutlich ermordet worden war.
»Und steht jemand unter Verdacht?«
»Nicht, dass ich wüsste«, antwortete Dóra. »Ich bezweifle, dass die Polizei überhaupt schon eine Theorie hat. Die Ermittlungen stehen noch ganz am Anfang.«
»Deinetwegen hoffe ich, dass es nicht dieser Jónas war.«
»Nein, bestimmt nicht«, sagte Dóra nachdenklich. Vorsichtig fügte sie hinzu: »Ich habe hier was,
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