Das gefrorene Licht. Island-Krimi
Messer gespitzt worden, und an seinem einen Ende fehlte der Radiergummi.
»Aber sieh mal«, sagte Dóra, »scheint so, als hätten vor nicht allzu langer Zeit noch Bücher in den Regalen gestanden.« Sie zeigte auf den Staub. An den Rändern der Regalfächer war eine dicke Staubschicht, aber weiter hinten kaum noch etwas.
Matthias musterte die Regale. »Stimmt. Ob Birna die Bücher mitgenommen hat? Vielleicht waren sie wertvoll.«
Dóra zuckte die Achseln. »Kann ich mir kaum vorstellen. In ihren Notizen hat sie keine Bücher erwähnt. Obwohl sie das wohl auch kaum getan hätte, wenn sie sie hätte stehlen wollen. Die ehemaligen Eigentümer müssen sie mitgenommen haben. Jónas hat erzählt, dass sie das Inventar abholen wollten.«
Sie verließen das Zimmer, wanderten weiter durchs Haus und stießen auf zwei miteinander verbundene Zimmer mit altmodischen Möbeln: ein verschlissenes Sofa, das einstmals ein wahres Prachtexemplar gewesen sein musste, eine massive Anrichte und ein Esszimmertisch mit Stühlen aus dunklem Holz und einem gelb verfärbten Häkeldeckchen. Hier und dort standen kleine Beistelltischchen, aber es gab keine weiteren losen Gegenstände. An den Wänden hingen zwei Gemälde, eins von einem Schiff und das andere vom Snæfellsgletscher. Beide waren so schmutzig, dass man die Namen der Künstler nicht mehr entziffern konnte. Die Anrichte und der Esszimmerschrank waren leer.
»Mach’s dir doch auf dem Sofa bequem«, sagte Matthias und zeigte auf das verstaubte Polster. Durch den Schmutz schimmerte ein Blumenmuster in dumpfen Farben. »Ich würde gerne sehen, wie der Staub aufgewirbelt wird.«
»Nein, danke«, entgegnete Dóra. »Mach du’s doch. Ich zahle dir auch einen Hunderter.«
Matthias griff nach ihrem Arm. »Es gibt aber noch ganz andere Zahlungsmittel als Bargeld.«
Dóra lächelte ihm zu. »Da lässt sich bestimmt eine Einigung erzielen.« Sie schaute wieder zum Sofa und verzog das Gesicht. »Ich glaube, du solltest es doch lieber lassen. Der Staub würde sich bestimmt erst heute Abend wieder legen, und dann finden wir vielleicht nicht mehr raus. Komm, lass uns die Küche inspizieren.«
Die Küche war nicht so leer wie die anderen Zimmer, aber ebenso primitiv – einfache, gestrichene Schränke, ein kleines, flaches Spülbecken. Im Vergleich zu einer modernen Küche gab es nicht viel Arbeitsfläche, aber der Platz für den Küchentisch war viel größer. Kochlöffel und ein stählerner Fischspaten hingen an Haken, eine altmodische Kaffeekanne aus Blech stand auf dem Herd. »Merkwürdig, die ganze Einrichtung zurückzulassen«, sagte Dóra und ließ ihren Blick schweifen.
Matthias öffnete einen der Küchenschränke und betrachtete die Sammlung aus kunterbunt zusammengewürfelten Tassen und Gläsern. »Ist das nicht typisch für eine langweilige Pflicht? Man schiebt sie vor sich her, und dann passiert nie was. Vielleicht sind die Leute verstorben, und keiner konnte die Sachen gebrauchen. Die Erben haben bestimmt Kaffeekannen und Möbel besessen und hatten keine Lust, das Zeug zu holen.« Er verstummte und zeigte auf einen Pappkarton auf einem der Schränke. »Guck mal, was ist das denn?«
Sie holten den Karton herunter und entdeckten in Zeitungspapier eingewickelte Gegenstände. Neben dem Karton lag ein Stapel Zeitungen. Dóra nahm eine und suchte nach dem Datum. »Die ist von Mai. Die ehemaligen Eigentümer haben das offenbar erst vor kurzem eingepackt. Und das da?«, sagte sie und zeigte auf eine Thermoskanne im Schatten des Kartons. »Die ist nicht alt.« Sie hob die Thermoskanne hoch und schüttelte sie leicht. Darin plätscherte etwas, und Dóra schraubte den Deckel ab. Vorsichtig roch sie an dem Inhalt. »Kaffee«, sagte sie. »Der muss von Elín und Börkur sein oder von jemandem, den sie hergeschickt haben, um die Sachen einzupacken.« Sie stellte die Thermoskanne wieder hin.
»Wer sind diese ehemaligen Eigentümer? Elín und Börkur? Haben die hier gewohnt?«
»Es sind Geschwister, die das Grundstück geerbt haben, eine Frau und ein Mann. Ich weiß nicht, ob sie hier gewohnt haben, kann ich mir aber nicht vorstellen, so altmodisch, wie das hier alles ist.« Dóra musterte die primitiven Einrichtungsgegenstände. »Die beiden sind höchstens fünfzig. Der Kram hier ist viel älter. Sie sind bestimmt nicht hier aufgewachsen.«
»Aber warum räumen sie das Haus auf einmal aus?«, fragte Matthias. »Der Verkauf muss doch schon vor einigen Jahren abgewickelt worden sein. Der
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