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Das gefrorene Licht. Island-Krimi

Das gefrorene Licht. Island-Krimi

Titel: Das gefrorene Licht. Island-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurðardóttir
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ein Haus in Stykkishólmur, wo ich übernachten kann. Ich versuche, so oft wie möglich zu kommen.« Sie schaute Dóra an und fügte mit leiserer Stimme hinzu: »Wegen Steini. Er will nicht nach Reykjavík.«
    Dóra nickte. »Seid ihr miteinander verwandt?« Sie waren ein Stück hinter den Männern zurückgeblieben, aber nicht genug, als dass sich Dóra trauen würde, zu fragen, was dem jungen Mann zugestoßen war. Sie wollte auf keinen Fall, dass er hörte, wie sie sich nach seinem Aussehen erkundigte.
    »Ja, er ist mein Vetter. Väterlicherseits.«
    Sie hatten den Hang erklommen. Matthias blieb stehen und drehte sich zu ihnen um; er sah erschöpft aus. Dóra wechselte rasch wieder das Thema. »Hast du eine Idee, wer Birna getötet haben könnte? Hatte sie Probleme oder Streit mit jemandem?«
    Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Mit niemandem, glaube ich. Zumindest hat sie nie davon gesprochen. Wir haben uns ja öfter getroffen; ich sortiere die Sachen von der Familie in dem alten Hof hier in der Nähe, Kreppa. Es war sehr nett, sich mit ihr zu unterhalten. Ich weiß nicht, ob das wichtig ist, aber sie hat erzählt, sie hätte einen Liebhaber oder so.«
    »Einen Liebhaber?«, fragte Dóra neugierig.
    Bertha machte ein unentschlossenes Gesicht und dachte kurz nach, bevor sie antwortete. »Ich weiß nicht, ob ich dir das erzählen darf. Er ist verheiratet, und sie haben es verheimlicht. Sie wollte wahrscheinlich mit jemandem darüber sprechen, aber ich will Birnas Vertrauen nicht missbrauchen, selbst wenn sie tot ist.«
    Birna musste sehr einsam gewesen sein, wenn sie einem so jungen Mädchen ihre Geheimnisse anvertraut hatte. Bertha war gerade mal zwanzig. »Ich glaube, diese Dinge werden so oder so ans Licht kommen. Du willst doch nicht, dass der Täter davonkommt?«
    Bertha schüttelte heftig den Kopf. »Oh Gott, nein.« Sie standen jetzt neben Matthias und Steini, und Bertha zögerte.
    »Gehen wir«, tönte es barsch unter der Kapuze hervor. »Ich will weg.«
    Bertha ging zu dem Rollstuhl und umfasste die Griffe. »Okay, Steini«, sagte sie und bedankte sich bei Matthias für die Hilfe. Dann drehte sie sich zu Dóra. »Vielleicht sehen wir uns ja nochmal. Habt ihr hier ein Sommerhaus?«
    »Nein, wir wohnen im Hotel«, antwortete Dóra, enttäuscht, den Namen des Liebhabers nicht erfahren zu haben. Sie beobachtete, wie das Mädchen ihnen zum Abschied zuwinkte und dann den mühsamen Weg mit dem Rollstuhl fortsetzte.
    Als Bertha ein paar Schritte gegangen war, blieb sie stehen und drehte sich abrupt um. »Er heißt Bergur. Der Bauer von Tunga.« Dann ging sie wortlos weiter.
    Dóra und Matthias standen da und beobachteten, wie die junge Frau den Rollstuhl langsam über den holprigen Weg schob. Als die beiden weit genug entfernt waren, sagte Matthias zu Dóra: »Was ist um Himmels willen mit diesem Jungen passiert?«
     
    Vigdís reckte sich über den Tresen und spähte in alle Richtungen. Niemand. Sie schaute auf die Uhr; die Gäste waren noch nicht zu erwarten. Trotz unterschiedlicher Nationalität und Interessen schienen die meisten nach dem Einchecken in dasselbe Muster zu verfallen – zwischen acht und neun Uhr aufstehen und nach dem Frühstück raus in die Natur. Die Neugier brachte Vigdís fast um. Seit sie und Jónas der Polizei versprochen hatten, dass niemand Birnas Zimmer betreten würde, hatte sie das starke Verlangen gehabt, dieses Verbot zu brechen. Jónas hatte ganz kurz ins Zimmer geschaut, als er es für die Polizei aufgeschlossen hatte, meinte jedoch, dort gäbe es nichts zu sehen. Aber Vigdís wollte es mit eigenen Augen sehen. Vielleicht war überall Blut oder irgendetwas Abstoßendes, das Jónas von seiner Position aus übersehen hatte. Oder etwas, worüber er nicht reden wollte oder durfte.
    Vigdís stand auf und nahm den Hauptschlüssel. Sie warf einen Blick in den Flur und ging dann zielstrebig los. Vor der Zimmertür blieb sie stehen und steckte den Schlüssel unverzüglich ins Schloss. Hastig stieß sie die Tür auf, huschte hinein und schloss hinter sich. Im selben Augenblick, als sie die Tür ins Schloss fallen hörte, wurde ihr klar, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Im Zimmer herrschte ein heilloses Durcheinander. Kein Blut, aber überall lagen Klamotten herum und dazwischen alle möglichen Unterlagen. Vigdís wurde klar, dass sie die Polizei schleunigst über den Einbruch informieren musste. Aber was sollte sie sagen? Was hatte sie dort zu suchen gehabt? Staub gewischt? Vielleicht

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