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Das gefrorene Licht. Island-Krimi

Das gefrorene Licht. Island-Krimi

Titel: Das gefrorene Licht. Island-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurðardóttir
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noch feucht von der Flut. Nichts an der grandiosen Landschaft ließ darauf schließen, dass hier vor kurzem eine Leiche gefunden worden war.
    Matthias schaute auf seine Armbanduhr. »Wir haben genau 35 Minuten vom Hotel bis zum Strand gebraucht.«
    »Aber wir waren nicht besonders schnell«, sagte Dóra. »Wie schnell hätten wir es schaffen können?«
    Matthias zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Vielleicht in 25 Minuten, weniger wohl kaum. Es sei dann, man rennt.«
    »Es hätte also innerhalb von einer Stunde jemand vom Hotel hierherkommen, Birna ermorden und wieder zurückgehen können«, sagte Dóra nachdenklich.
    Matthias lächelte. »Tja, dann bliebe dem Mörder aber nicht mehr viel Zeit, die Tat auszuführen. Dann hätte er im Grunde mit dem festen Vorsatz, die Frau zu ermorden, herkommen müssen.«
    »Diese Vögel machen einen ohrenbetäubenden Lärm«, sagte Dóra und wandte sich zu den Klippen, »hier hätte niemand Rufe oder Schreien gehört.«
    »Wer sollte denn auch etwas hören?«, meinte Matthias. »Hier ist wahrscheinlich kaum jemand unterwegs.«
    Dóra sah in alle Richtungen und wollte ihm gerade beipflichten, als sie oben auf der Anhöhe zwei Personen erblickte. »Obwohl ...«, murmelte sie und nickte mit dem Kinn zu den Leuten. Sie beobachteten, wie sich das Paar langsam den Kieshang hinunterbewegte. Eine junge Frau schob einen Rollstuhl vor sich her, dessen Insasse nur schwer zu erkennen war, weil Kopf und Gesicht von einer großen Kapuze verdeckt waren. Die Frau hatte alle Hände voll zu tun, den Rollstuhl durch den losen Kies auf dem Pfad vorwärtszuschieben. »Das müssen die jungen Leute sein, die der alte Japaner erwähnt hat«, sagte Dóra. »Die er mit Birna hat reden sehen. Sollen wir sie ansprechen?« Sie schaute zu Matthias.
    »Warum nicht?«, entgegnete er und lächelte. »Wäre auch nicht dümmer als andere Dinge bei deiner merkwürdigen Untersuchung.« Rasch fügte er hinzu: »Bitte versteh mich nicht falsch. Ich will mich überhaupt nicht beschweren. Ich find’s prima, wenn ich keine Ahnung hab, wo’s langgeht.«
    Dóra stieß ihn mit dem Ellbogen an. »Komm!« Sie schritten langsam den Hang hinauf, dem Paar entgegen. Als sie näher kamen, dachte Dóra zuerst, sie hätte etwas im Auge. Sie konnte das verschwommene Gesicht unter der Kapuze überhaupt nicht fokussieren. Mit jedem Schritt wurde ihr jedoch klarer, dass das nichts mit ihrem Sehvermögen zu tun hatte. Ihr Magen krampfte sich instinktiv zusammen, und sie kämpfte gegen das Verlangen an, sich auf dem Fuß umzudrehen und wegzulaufen. Was war nur mit dem Gesicht ... – Dóra fiel es schwer, die entstellte Augenpartie, die kümmerlichen Nasenreste und die vernarbte plastikartige Haut, die sich vom Kinn bis zur von der Kapuze verdeckten Stirn zog, lange anzusehen. Sie wünschte, der arme, noch sehr jung wirkende Mann, wäre sich des Entsetzens, das er hervorrief, nicht bewusst, wusste jedoch tief im Inneren, dass ihre Hoffnung vergeblich war. Dóra traute sich nicht, Matthias anzusehen. »Guten Tag«, sagte sie an das Mädchen gerichtet und presste ein Lächeln hervor.
    »Hallo«, antwortete das Mädchen freundlich. Sie war blond und hatte ihr dickes Haar zu einem Zopf zusammengebunden. Irgendwie kam sie Dóra vertraut vor. »Ich weiß nicht, ob wir’s runter zum Strand schaffen«, fügte das Mädchen hinzu. »Zumindest werden wir nicht so leicht wieder raufkommen.«
    »Es gibt sowieso nicht viel zu sehen«, antwortete Dóra. »Wenn ihr wollt, hilft Matthias euch runter.« Sie zeigte auf Matthias, ohne ihn anzusehen. »Und wieder rauf natürlich.«
    »Hm, vielleicht«, antwortete das Mädchen und beugte sich über den Stuhl. »Was meinst du?«, fragte sie den Mann im Rollstuhl. »Sollen wir die Hilfe annehmen oder lieber umkehren? Es gibt nicht viel zu sehen.« Der junge Mann murmelte etwas, das Dóra nicht verstand, aber das Mädchen schien es zu begreifen. »Okay, wie du willst.« Sie blickte zu Dóra. »Ich glaube, wir drehen um. Kann er mir vielleicht helfen?« Matthias schob den Rollstuhl, und gemeinsam wanderten sie den Hügel hinauf.
    »Solche Hilfe hätte ich letzten Donnerstag brauchen können«, sagte das Mädchen und lächelte.
    »Ihr wart am Donnerstag hier?«, fragte Dóra erstaunt. »Abends oder wann?« Vielleicht hatten die beiden etwas Ungewöhnliches bemerkt, ohne dass es ihnen bewusst war? Oder waren sie etwa –
    »Nein, hier waren wir nicht«, sagte das Mädchen, immer noch atemlos von der

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