Das gefrorene Licht. Island-Krimi
Anstrengung. »Wir wollten zusammen zu der spiritistischen Sitzung im Hotel, aber es endete damit, dass ich allein da war, weil ich den Rollstuhl nicht über diesen Riesengraben am Zufahrtsweg gekriegt hab. Das war ziemlich blöd. Hier ist ja nicht viel los, und Steini hatte sich darauf gefreut.« Sie schaute Dóra ins Gesicht und grinste. »Allerdings hat er nicht viel verpasst. Es war ziemlich bescheuert, und das Medium war glaube ich ein Fake.«
Dóra traute sich nicht zu fragen, ob andere Medien nicht dieselbe Bezeichnung verdienten. Sie sah zurück zur Bucht. »Wolltet ihr einen Strandspaziergang machen?«
»Wir wollten eigentlich nur sehen, wo die Leiche gefunden wurde«, antwortete das Mädchen, als sei das ganz natürlich. »Wir kannten die Frau, die gestorben ist.«
Dóra atmete innerlich auf. Nun musste sie nicht mehr wie die Katze um den heißen Brei herumschleichen, um auf das Thema Birna zu kommen. »Witzig«, sagte sie so beiläufig wie möglich, »wir waren aus demselben Grund hier. Wir wollten den Tatort mit eigenen Augen sehen.«
Das Mädchen riss die Augen auf. »Echt? Kanntet ihr sie auch?«
Dóra schüttelte den Kopf. »Nein, nicht direkt. Wir haben auf gewisse Weise mit ihr zu tun. Ich heiße übrigens Dóra.«
Das Mädchen reichte ihr die Hand. »Bertha.« Sie wandte sich von Dóra ab und ließ ihren Blick über den Strand schweifen. »Unfassbar«, sagte sie dumpf. »In den Nachrichten wurde gesagt, sie ist ermordet worden.« Sie blickte zu Dóra. »Warum sollte jemand sie umbringen?«
»Tja, ich weiß auch nicht«, antwortete Dóra ehrlich. »Vielleicht hatte es nichts mit ihr persönlich zu tun. Vielleicht ist sie fatalerweise einem Verbrecher über den Weg gelaufen.«
»Meinst du?«, fragte Bertha. Ihr Gesicht sah ängstlich aus. »Hier?«
»Wohl eher nicht«, sagte Dóra. »Das ist ziemlich unrealistisch. Aber realistischer, als dass ein Geist dahintersteckt.«
»Ein Geist«, sagte Bertha mit unbewegtem Gesicht. »Die Fischer vielleicht? Das ist genau der Strand, an dem sie angespült wurden.« Sie schüttelte sich. »Mir war dieser Ort schon immer unheimlich.«
Dóra schaute das Mädchen überrascht an. Sie hatte erwartet, dass sie lachen oder einen albernen Witz machen, aber nicht, dass sie das Gerede über Geister ernst nehmen würde. Offenbar sollte man sich in dieser Gegend nicht über Wiedergänger lustig machen. »Glaubst du an Geister?«, fragte sie vorsichtig.
»Ja«, antwortete Bertha, und ihr Gesicht sah so aus, als meine sie es ernst. »Hier spukt es. Ganz eindeutig. Ich hab im Dunkeln oft totale Angst.«
Dóra wusste nicht, was sie sagen sollte, behielt aber im Hinterkopf, dass es sich hier um eine mögliche Zeugin für einen eventuellen Prozess handelte, und beschloss, erst mal nicht weiter über Geister zu reden, sondern direkt zum Thema zu kommen. »Woher kanntest du die Architektin?«
»Sie war die Architektin des hiesigen Hotels. Das Hotelgrundstück gehörte meiner Mutter, und ich habe Birna ein bisschen geholfen.« Sie sah zu Dóra und warf dann einen Blick auf den Rollstuhl, den Matthias mühsam den Hügel hinaufschob. »Sie war sehr nett.«
Jetzt fiel Dóra auf, warum ihr das Mädchen bekannt vorkam: Sie glich einfach ihrer Mutter Elín, die Dóra bei der Vertragsunterzeichnung getroffen hatte. Es wäre wohl doch nicht angebracht, sie vor Gericht als Zeugin gegen ihre eigene Familie aussagen zu lassen, aber es war sehr gut, sie zu kennen. »Wobei konntest du Birna denn helfen?«
»Sie hat sich für die Geschichte des Ortes interessiert, und Mama und Onkel Börkur hatten keine Zeit oder Lust, sich mit ihr zu unterhalten. Ich hab ihr erzählt, was ich wusste und nach alten Plänen für sie gesucht. Gefunden habe ich zwar keine, ihr aber ein paar Fotos gegeben. Darüber war sie sehr froh.«
»Weißt du noch, was für Fotos das waren?«, fragte Dóra erstaunt. Merkwürdig, dass Birna die Fotos im Keller nicht gereicht hatten. Vielleicht waren ihr die Motive zu einseitig gewesen: dieselbe Hauswand – unterschiedliche Leute.
»Ja, vor allem Fotos vom alten Hof, von meinen Urgroßeltern. Und ein paar andere Bilder, aber ich weiß nicht, von wem.« Auf einmal verstummte das Mädchen und schaute Dóra besorgt an. »Ob ich die Bilder wiederbekomme? Mama und Börkur wissen nicht, dass ich sie verliehen hab.«
»Bestimmt«, sagte Dóra. »Sag einfach der Polizei Bescheid. Sie kommt wahrscheinlich morgen. Wohnst du in der Nähe?«
»Nein, nicht direkt. Wir haben
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