Das gefrorene Licht. Island-Krimi
auf eine Seite. »Das ist merkwürdig.« Sie schaute zu Matthias, der halb schlummernd unter der Decke in dem großen Bett lag.
»Willst du sichergehen, dass deine Fingerabdrücke auch ganz bestimmt in dem Buch sind, falls es der Polizei in die Hände fällt?«, fragte er schläfrig.
»Nein, hör zu«, sagte Dóra eindringlich, »hier auf der Seite vor dem Hakenkreuz beschreibt sie die Kisten, die ich unten im Keller durchgesehen habe.« Sie hob das Buch hoch und zeigte Matthias die geöffnete Seite. »Guck mal, hier ist eine Liste über den Inhalt. Sie muss auf dieselben Dinge gestoßen sein wie ich, also auch auf die Nazifahne.«
»Und?«, fragte Matthias. »Was hat deine großartige Entdeckung zu bedeuten?«
Dóra legte den Kalender beiseite. »Ich weiß es nicht genau«, sagte sie und blätterte weiter zu der Seite mit dem Hakenkreuz. »Es ist doch offensichtlich, dass sie das wichtig fand, wenn man bedenkt, wie sorgfältig sie das Symbol gezeichnet und wie oft sie die Linien nachgezogen hat. Sieh nur.« Wieder hob sie das Notizbuch für Matthias in die Höhe.
Er kniff die Augen ein wenig zusammen und ließ sich dann wieder aufs Kissen fallen. »Ja, die Skizze ist tatsächlich sehr detailliert. Was hat sie danebengeschrieben?«
»Alles Mögliche«, sagte Dóra, »manches ist nicht lesbar, weil sie es wieder durchgestrichen hat, aber ich kann
Hakenkreuz??
lesen, und hier steht
Wo war er damals??
Dann sind da irgendwelche Telefonnummern, die ich leider nicht richtig entziffern kann, weil sie durchgestrichen sind.«
»Vielleicht nachdem Birna sie durchtelefoniert hatte?«, meinte Matthias.
»Fünf, acht irgendwas«, sagte Dóra, die Nase im Buch. Sie richtete sich auf und stemmte die Hände in die Hüften. »Warte mal, ich hab doch die Nummern notiert, die Birna von dem Telefon in ihrem Zimmer aus angerufen hat. Die könnte ich mal testen.« Dóra zog einen Zettel aus der Tasche, stand auf und ging zum Telefon. Sie wählte die erste Nummer und wartete, während es klingelte. Endlich wurde abgenommen. KB
Bank, guten Tag!
tönte es vom anderen Ende der Leitung. Dóra legte auf. »Fehlanzeige«, sagte sie zu Matthias und probierte die nächste Nummer. Als endlich abgenommen wurde, legte sie den Finger auf die Lippen, um Matthias zu bedeuten, er solle ruhig sein.
»Rehazentrum Reykjalundur, guten Tag«, sagte eine sanfte Frauenstimme.
Darauf war Dóra nicht vorbereitet. Sie hatte gehofft, es handele sich um Privatanschlüsse von Leuten, die sich sofort an Birna erinnerten. Da Dóra nicht wusste, wie sie am besten reagieren sollte, kam sie direkt zum Thema. »Guten Tag, ich heiße Dóra.«
»Hallo, womit kann ich behilflich sein?«, fragte die Frau.
»Ich brauche Informationen über die Architektin Birna Halldórsdóttir. Sie hat sich diese Nummer notiert, und ich dachte, du wüsstest vielleicht oder könntest nachschauen, wen sie im Haus gekannt hat?« Dóra fluchte im Stillen darüber, wie unwahrscheinlich es war, damit Erfolg zu haben.
Die Frau am anderen Ende der Leitung reagierte sehr förmlich. »Leider führen wir keine Liste über die Besucher oder Telefonate unserer Patienten. Wir haben sehr viele Patienten und können das nicht registrieren.«
»Es muss nicht unbedingt ein Patient sein«, sagte Dóra, in der vagen Hoffnung, Birna hätte versucht, einen Angestellten zu kontaktieren.
»Das registrieren wir ebenso wenig«, entgegnete die Frau. »Leider kann ich dir nicht behilflich sein. Entschuldige bitte, ich muss ein anderes Gespräch entgegennehmen. Auf Wiederhören.«
»Reykjalundur«, sagte sie zu Matthias und seufzte. »Das Rehazentrum. Keine Ahnung, wen sie da angerufen hat.« Sie nahm den Zettel erneut zur Hand. »Dann also die dritte und letzte Nummer. Wenn ich nur nicht so schlampig geschrieben hätte. Ist das eine Fünf oder eine Sechs?« Sie nahm den Hörer ab und wählte wieder. »Vier, Eins, Eins ...« Sie wählte zu Ende und wartete. Als es fast zehnmal geklingelt hatte, war sie kurz davor, aufzugeben. Im selben Augenblick erklang eine Computerstimme und sagte, der Anruf würde weitergeleitet. Nach nochmaligem Klingeln wurde abgenommen.
»Rathaus, guten Tag.«
»Guten Tag«, sagte Dóra. »Verzeihung, mit wem bin ich denn verbunden? Das Rathaus in Reykjavík?«
»Ja«, sagte das Mädchen, »hast du versucht, Baldvin zu erreichen?« Als Dóra zögerte, fügte das Mädchen hinzu: »Ich kann sehen, dass du seine Durchwahl gewählt hast. Er hat mittwochs zwischen vier und sechs
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