Das gefrorene Licht. Island-Krimi
Telefonsprechstunde. Versuch es am besten dann noch einmal.« Sie verabschiedete sich freundlich.
Dóra drehte sich zu Matthias. »Das war die Nummer von Baldvin Baldvinsson im Rathaus. Er ist Stadtrat und scheint da ein Büro zu haben.«
»Und wer ist dieser Baldvin?«, fragte Matthias desinteressiert.
»Der Enkel des alten Magnús«, antwortete Dóra und griff nach dem Notizbuch. Sie musterte die durchgestrichenen Nummern. »Er ist derzeit einer der vielversprechendsten Politiker. Ich bezweifle, dass Birna ihn angerufen hat, um mit ihm über die Umbauten am Sommerhaus seines Großvaters zu diskutieren. Außerdem bin ich mir sicher, dass diese Nummer auch in Birnas Notizbuch steht.« Sie blätterte weiter in dem Kalender. »Ich glaube, ich habe irgendwo eine E-Mail-Adresse gesehen, die von ihm sein könnte.« Rasch blätterte sie durch das Buch, bis sie auf eine Seite mit einer Notiz am Rand stieß: baldvin.baldvinsson@reykjavik. is. »Hier ist es. Das muss er sein.«
»Was glaubst du, was sie von ihm wollte?«
»Ich weiß es nicht, aber wir müssen uns den Alten nochmal vornehmen«, sagte Dóra. Dann nahm sie das Buch wieder zur Hand und blätterte es hastig durch. »Hier stehen bestimmt jede Menge wichtige Informationen. Ich müsste nur die Spreu vom Weizen trennen können.«
»Kannst du dir vorstellen, wie froh die Polizei wäre, wenn sie diesen Kalender hätte?«, fragte Matthias. »Dann wäre der Mörder vielleicht schon hinter Schloss und Riegel.«
»Worauf willst du hinaus?«, fragte Dóra, »meinst du, die Polizei ist schlauer als ich?«
»Nein, nein«, lenkte Matthias ein. »Du hast nur weniger Personal und eine schlechtere Ausrüstung für solche Ermittlungen.«
Da ihr keine passende Entgegnung einfiel, vertiefte Dóra sich in eine zufällig aufgeschlagene Seite. Es war die mit dem geplanten Bauland und Birnas Bemerkungen dazu.
Was ist mit dieser Stelle??? Alte Pläne???
Sie musterte jede Ecke und jeden Winkel der Seite, und als sie nichts Neues entdeckte, blätterte sie weiter. Auf der nächsten Seite stand:
Vielleicht der Stein?
Und dahinter:
Es muss Pläne geben – mit Jónas sprechen
.
Dóra stand auf und trat ans Fenster. Von dort überblickte man die Stelle, für die Birna sich so brennend interessiert hatte. Dóra wollte überprüfen, ob ihr etwas daran auffiel. Sie zog die Gardine zur Seite und ließ ihren Blick über die saftige Wiese schweifen. Das Land war ziemlich flach, und nach Dóras Eindruck perfekt zur Bebauung geeignet. Sie betrachtete die vorherige Seite und versuchte, den genauen Standort des neuen Gebäudes auszumachen. Er befand sich am östlichen Ende der Wiese, weit genug entfernt, um den bereits bestehenden Zimmern nicht den Blick aufs Meer zu nehmen. »Diese Stelle ist ganz normal«, sagte sie mehr zu sich selbst als zu Matthias. »Eine ganz normale Wiese. Allerdings schlecht gemäht.« Sie kniff die Augen zusammen. Das Einzige, das sich von der grünen windgebeutelten Fläche abhob, war ein grauer Stein. »Komm mit«, sagte sie zu Matthias und langte nach dem Zipfel der Bettdecke, »zieh dich an. Wir müssen einen Stein begutachten.«
23 . KAPITEL
»Das kann doch nicht wahr sein, dass du mich hierherzitierst, um mir das zu zeigen?«, sagte Matthias und blickte nach allen Seiten. Sie standen im hohen Gras auf der Wiese hinter dem Hotel. »Das ist Gras«, sagte er und ging ein paar Schritte weiter.
»Ich gucke mir nicht das Gras an«, entgegnete Dóra und beugte sich zu dem Stein hinunter. »Sondern das hier.«
»Na, dann sieht die Sache natürlich ganz anders aus«, entgegnete Matthias und trat zu ihr. Er schüttelte den Kopf. »Dóra, das ist ein grauer Stein. Du musst ihn nicht anfassen, um sicherzugehen.«
»Ja, aber er gehört nicht hierher«, erwiderte Dóra und begann, das Gras um den Stein beiseitezuschieben. Er sah aus wie eine Miniaturausgabe des Toblerone-Bergs – oder wie eine Vergrößerung der gleichnamigen Schokolade. »Schau dich doch mal um, siehst du noch andere Steine auf dieser Wiese?«
»Nein«, antwortete Matthias, nachdem er sich schnell umgedreht hatte. »Sehr geheimnisvoll«, fügte er dann ironisch hinzu.
»Nee, im Ernst«, sagte Dóra und blickte aus ihrer Hockstellung zu ihm hoch. »Die Leute haben ihre Wiesen früher immer von Steinen bereinigt. Warum sollten sie einen Riesenbrocken mitten auf der Wiese zurücklassen?«
»Weil er zu schwer war?«, schlug Matthias vor und beugte sich dann zu ihr hinunter. »Oder ist es vielleicht ein
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