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Das gefrorene Licht. Island-Krimi

Das gefrorene Licht. Island-Krimi

Titel: Das gefrorene Licht. Island-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurðardóttir
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und am liebsten niemals. »Du weißt, was ich meine.« Sie legte ihre Hand auf sein Knie. »Komm. Tu es.«
    Steini riss den Plastiknippel mit einem Ruck ab. »Hast du nie Angst?«
    »Angst?«, fragte Bertha irritiert. »Warum sollte ich Angst haben?« Sie lächelte. »Es ist Sommer.«
    Er schaute sie eine Weile schweigend an. Dann ließ er den Kopf hängen. »Ich fühle mich scheiße.«
    Bertha spürte einen Stich in der Magengegend. Sie konnte es nicht ertragen, ihn so zu sehen. Es reichte einfach. Alles war so ungerecht. Warum war er bei dem Unfall nicht besser davongekommen? Viele Leute verunglückten, mussten aber nicht unter solchen Folgen leiden. Wenn sie ihn nur nicht angerufen hätte. Sie bemühte sich, weiterzulächeln. »Ich weiß«, sagte sie fröhlich. »Lass uns nach Kreppa fahren. Ich muss noch jede Menge Sachen einpacken, und wer weiß, vielleicht finden wir was Interessantes. Weißt du noch, wie viel Spaß es dir beim letzten Mal gemacht hat?«
    Steini lachte kühl. »Hast du Spaß gesagt?«, entgegnete er und seufzte. »Ist mir egal. Dann gehen wir eben.«
    »Super«, sagte Bertha. »Ich verspreche dir, dass du es nicht bereuen wirst.« Sie atmete innerlich auf. Sobald sie losgefahren wären, würde sich seine Laune bessern. So war es immer. Sie erschrak, als er plötzlich seine gesunde Hand ausstreckte und sie am Handgelenk packte.
    »Kannst du mir verzeihen?«, fragte er mit belegter Stimme.
    »Dir verzeihen?«, fragte Bertha zerstreut. »Was soll ich dir verzeihen?«
    »Nur so«, sagte er. »Wenn das Schlimmste eintrifft, wirst du mir dann noch verzeihen können?«
    Bertha schüttelte verständnislos den Kopf. Das war der längste Satz, den sie ihn seit Monaten hatte sagen hören. »Wovon sprichst du eigentlich?« Sanft löste sie ihr Handgelenk aus seinem Griff und trat hinter den Rollstuhl. »Ich soll dir verzeihen ...« sagte sie und schob den Stuhl an. »Dummkopf«, fügte sie liebevoll hinzu. »Was hast du mir denn getan?«
    »Hoffentlich nichts«, sagte Steini und zog sich die Kapuze seines Pullis über den Kopf, während Bertha die Haustür öffnete und den Rollstuhl über die Türschwelle schob. »Hoffentlich.«
     
    þórólfur runzelte die Stirn und lehnte sich gegen die Tür des provisorischen Büros im Hotel. »Wir sind ziemlich gut vorangekommen. Mehr sage ich dazu im Moment nicht.«
    Dóra stand ihm mit verschränkten Armen im Flur gegenüber. Sie sprach leise, damit Jónas, der hinter der Tür saß und auf sie wartete, nichts von dem Gespräch mitbekam. Jónas hatte um Dóras Anwesenheit gebeten, als þórólfur ihn zur Vernehmung bestellt hatte. þórólfur hatte Jónas auf seine Wahrheitspflicht aufmerksam gemacht und ihn darüber informiert, dass er als Angeklagter nicht verpflichtet sei, sich zu den Anschuldigungen zu äußern. Im selben Moment, als þórólfur den Satz zu Ende gesprochen hatte, war Dóra aufgesprungen und hatte um eine Unterredung unter vier Augen gebeten. Nun stand sie da und stritt sich mit dem Polizisten. »Du hast meine Frage nicht beantwortet. Warum steht Jónas auf einmal unter Verdacht?«, fragte sie. »Was hat sich geändert?«
    þórólfur verschränkte mit strengem Gesichtsausdruck ebenfalls die Arme. »Wir haben gestern und heute mit vielen Zeugen gesprochen. Ihre Aussagen werfen kein gutes Licht auf deinen Mandanten.«
    Dóra atmete tief ein. »Und was heißt das? Willst du ihn verhaften?«
    »Kommt drauf an, was er bei der Vernehmung sagt«, antwortete þórólfur und zuckte die Achseln. »Wer weiß, vielleicht hat er ja Erklärungen parat.«
    »Erklärungen?«, fragte Dóra. »Erklärungen wofür? Hat er denn nicht schon genug Erklärungen abgegeben?«
    »Wie gesagt, heute und gestern ist einiges ans Licht gekommen, was wir beim letzten Gespräch noch nicht wussten. Außerdem finde ich seine Erklärungen bis jetzt nicht sehr überzeugend«, antwortete þórólfur. »Sollen wir nicht einfach anfangen? Dann wirst du schon erfahren, welche Fragen wir haben.«
    »Lass mich zwei Minuten mit ihm allein«, bat sie. »Ich muss ihm die veränderte Situation erklären.«
    þórólfur wirkte alles andere als einverstanden, gab aber trotzdem nach. Er zitierte seinen Assistenten aus dem Büro, und Dóra ging stattdessen hinein. Rasch setzte sie sich neben Jónas, der sie verwirrt anschaute. »Was ist?«, fragte er besorgt. »Warum bist du rausgegangen?«
    Dóra legte ihm beschwichtigend die Hand aufs Knie. »Jónas, die Lage hat sich verändert. Bisher bist du

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