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Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Titel: Das Gegenteil von Schokolade - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirijam Muentefering
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verwirrten Blick, der Sympathie und Sich-abgestoßen-Fühlen zu vereinen schien.
    Frederike nickt grinsend und zuckt die Achseln. Vielleicht liegt es an ihrer Schriftstellerinneneinstellung. Jedenfalls lässt sie jede und jeden einfach so sein, wie sie sind. Die größten Macken und Spinnereien bemerkt sie entweder gar nicht oder findet sie schlimmstenfalls ›interessant‹. Sie urteilt nicht. Und dass ihre Freundin Paula sich ihre neuen Liebschaften – egal ob für sehr kurze oder auch für längere Zeit – nach dem Alphabet aussucht, scheint sie einfach als gottgegeben hinzunehmen.
    Ich seufze tief.
    »Da bin ich aber froh, dass meine Eltern mich nicht Pauke genannt haben.«
    Frederike lacht, greift nach meinem Arm, »Da hinten ist Bête. Bis später mal, ja?«, und ist wieder fort.
    Ich verbiete mir, auf die Uhr zu sehen.
    Während ich Frederike nachstarre, das Phänomen bestaune, wie sie von der Menge verschluckt wird, treffe ich eine Entscheidung.
    Wenige Schritte später befinde ich mich schon im Café, wo ich an der Bar eine Cola bestelle.
    Warten ist scheiße.
    Schließlich bin ich – entgegen manchen entlarvenden Gefühlsregungen der letzten Zeit – kein Teenager mehr. Wenn ich jetzt vierzehn wäre, dann fände ich es o.k., wenn ich ruhig noch eine halbe Stunde dort im Durchgang meinen Abend verplempern würde.
    Schließlich habe ich als Vierzehnjährige auch tagelang vor dem Telefon gehockt, weil ich einen »wichtigen Anruf«, wie Mama und Papa es dann nannten, erwartete. Einmal habe ich fünf Tage lang nicht geduscht, weil ich Angst hatte, dass ausgerechnet dann, wenn ich mit dem Kopf unter dem Wasserstrahl stecke, mein Schwarm Gerold anrufen würde. Natürlich hat er nie angerufen. Und nachdem ich den alten Schweißfilm von meiner Haut geschrubbt hatte, beschloss ich, nie wieder so blöd zu sein.
    Eigentlich bin ich auch gar kein Typ für diese Warte-Nummer, überlege ich, als ich mit der Cola wieder zurück in die Disco schlendere.
    Die Frauen, die dort im Durchgang stehen, was ein beliebter Treffpunkt zu sein scheint, streife ich mit einem kurzen Blick, den ich einfach nicht lassen kann. Aber keine von ihnen sieht auch nur annähernd so aus wie Emma.
    Falls Emma überhaupt so aussieht, wie sie behauptet.
    Bin ja nicht ganz blöde. Schließlich könnte es ja sein, dass sie mir etwas völlig Falsches, vielleicht Realitätgegensätzliches erzählt hat.
    Vielleicht hat sie also keine langen dunklen, sondern kurze helle Haare. Wer weiß das schon?
    Aber im Grunde ist es Schwachsinn, sich darüber jetzt den Kopf zu zerbrechen. Das wäre nichts anderes, als weiter dort zu stehen und zu warten.
    Eines weiß ich aber ganz sicher: Dass ich auf diese Verabredungsgeschichte nicht noch einmal reinfalle. Davon hab ich jetzt die Schnauze voll. Ich bin nur gespannt, was sie diesmal als Ausrede parat hat. Vielleicht wieder die gleiche wie beim letzten Mal. Aber so viel Angst kann eine doch nun auch nicht davor haben, mich zu treffen. Nicht, wenn sie gesund im Kopf ist. Denn selbst wenn sie enttäuscht von mir, ich enttäuscht von ihr wäre – was soll das schon? Sie findet bestimmt schnell eine andere, mit der sie per Mail tief schürfende Gespräche führen kann.
    »Du siehst ja so ernst aus«, bemerkt Angela, als ich bei ihr ankomme und mich freundlich lächelnd zu ihr stelle. Michelin ist nicht zu sehen. Nach der momentanen Musik zu urteilen, tobt sie sich wahrscheinlich gerade auf der Tanzfläche aus.
    Einen Augenblick lang überlege ich, ob ich Angela jetzt doch von meiner missglückten Verabredung erzählen soll. Aber dann ist der Moment vorüber, und ich grinse fröhlich: »Ach, ich hab nur gerade darüber nachgedacht, warum all diese Frauen ausgerechnet zu dem Lied ›It’s raining men‹ derart ausflippen …«
    Angela schmunzelt.
    »Ich finde, das hat etwas Befreiendes, dass sie das tun«, meint sie und sieht mich so an, als habe sie damit etwas besonders Bedeutungsvolles von sich gegeben.
    Als ich so mit ihr am Rande der Tanzfläche stehe und meine Cola umklammere, komme ich mir plötzlich sehr verloren vor. Diese Frauen hier singen lachend »Halleluja! Es regnet Männer!«, und ich wage es nicht, einer von ihnen zu erzählen, dass ich jahrelang mit einem von diesen Regentropfen eine Beziehung hatte. Oder noch schlimmer: dass ich vielleicht in absehbarer Zeit mit einem weiteren eine Beziehung haben werde. Doch da fällt mir wieder die Vision ein, die ich heute Abend in meiner Küche heraufbeschworen

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