Das Gegenteil von Schokolade - Roman
sie ihre niedliche Nase und stößt mit ihrem Ellenbogen kumpelhaft in meine Seite.
»Mann, Frauke, das sind ja Neuigkeiten …« Sie schmunzelt zwar, aber wirklich vergnügt sieht sie dabei nicht aus. Irgendwie macht sie einen etwas mitgenommenen Eindruck, stelle ich ahnungsvoll fest.
»Auweia«, sage ich deswegen. »Hoffentlich habe ich dich jetzt nicht überfordert damit? Ich dachte nur, es wäre doch wirklich schöner, wenn ich dir erzähle, was mich gerade so beschäftigt.«
Katja macht einen unsicheren Eindruck. Als zweifle sie an ihren eigenen Gedanken, die ihr im Kopf herumackern. Dass sie das tun, das kann ich regelrecht von außen sehen.
»Sicher. Natürlich ist es schöner. Ich freue mich ja, dass du es mir erzählt hast …« Ihre Stimme wird für einen Moment leiser, aber dann hellt sich ihre Miene mit einem Schlag auf. »Weißt du, wer mir gerade einfällt? Hilde!«
»Hilde?«
»Hilde, die Frau von Thorstens Bruder. Du erinnerst dich doch sicher an sie?! Die ganze Clique hat sich darüber das Maul zerrissen. Vor zwei oder drei Jahren war das. Mann, da war vielleicht was los. Ich hätte nicht in ihrer Haut stecken wollen!«
So sehr ich mich auch anstrenge, ich kann keine Erinnerung an eine Hilde und einen mit ihr zusammenhängenden Skandal aus den Tiefen meiner Hirnwindungen hervorkramen.
»Was genau war denn mit Hilde?«, möchte ich wissen.
»Sie hatte sich bei einem Unfall das Bein gebrochen und musste danach noch behandelt werden und hatte doch tatsächlich was mit ihrer Ergotherapeutin. Das war vielleicht ein Theater, als das rauskam. Schlimmer als wenn sie mit einer ganzen Fußballmannschaft durchgebrannt wäre. Thorsten war ganz schön am Ende. Weißt du das nicht mehr? Ich hab dir das doch erzählt!« In meinem Kopf herrschte die Farbe Schwarz vor. »Alle haben gemeint, er soll sich von ihr trennen und so, aber er hat einfach nicht aufgeben wollen. Du musst dich doch noch daran erinnern, schließlich hast du sie einmal beim Abendessen bei mir getroffen. Da war aber schon alles gelaufen. Ich meine, dadurch dass er nicht aufgegeben hat, hat sich schließlich alles in Wohlgefallen aufgelöst. Keine Ahnung, was sie dazu gebracht hatte, so einen Trip zu chartern. Auf alle Fälle hat sie es schnell wieder in den Griff bekommen. Du brauchst also gar nicht beunruhigt zu sein. Wahrscheinlich ist das normal. Ich meine, wir Frauen haben ja wohl auch so was wie ’ne Midlifecrisis. Weiß der Kuckuck, was mir demnächst einfällt. Auf alle Fälle ist das eine Phase, die vorbeigeht.«
In den Griff bekommen. Trip chartern. Phase.
»Und was ist, wenn nicht?«, frage ich gleich zurück.
Katja schaut konsterniert.
»Wie? Was meinst du mit ›wenn nicht‹?«
»Na, wenn sich meine Gefühle nicht wieder in Wohlgefallen auflösen, wie du das gerade genannt hast.«
Katja schaut mich an, als wüchsen mir gerade aus der Stirn zwei Hörner. Sie versucht, darüber zu lachen.
»Das ist doch Quatsch«, schmettert sie und winkt ab.
Natürlich kann ich das so nicht stehen lassen.
»Ist es nicht! Denk doch bloß mal an Angela, Michelins Freundin. Die musste auch erst zweiundvierzig Jahre alt werden, um sich zu ihrer Liebe zu Frauen bekennen zu können. Bei der hat sich das auch nicht einfach wieder so aufgelöst.« Ich höre selbst, dass meine Stimme mittlerweile eine leicht hysterische Färbung bekommt.
»Jetzt mach aber mal einen Punkt!«, mahnt Katja mich, der das vielleicht auch aufgefallen ist. »Das ist doch nicht dein Ernst, oder? Ich meine, du wirst doch jetzt nicht von einem Tag auf den anderen lesbisch, oder?«
Wir sitzen nebeneinander auf meinem Sofa und starren uns für einen Augenblick an, als hätten wir uns noch nie gesehen.
Ich glaube, so ein Gespräch haben wir noch nie geführt. Natürlich haben wir uns schon mal gestritten. Wir sind so grundverschieden, da bleiben Meinungsverschiedenheiten nicht aus. Auch wir haben miteinander gewisse Befindlichkeiten, die einen Zank vom Zaun brechen können. Aber irgendwas in mir flüstert mir zu, dass es hier und jetzt um etwas ganz anderes, um etwas Grundlegendes geht. Ich kann es noch nicht fassen. Aber es ist, als ob wir klären müssten, ob wir noch von der gleichen Art sind. Und das Ergebnis dieser Klärung würde alles entscheiden.
»Wieso eigentlich nicht?«, höre ich mich da selbst ganz provokant tönen. »Wieso sollte ich nicht lesbisch werden?«
Katja läuft unter ihren Sommersprossen dunkelrot an. »Weil das nicht du bist! Du stehst auf
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