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Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Titel: Das Gegenteil von Schokolade - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirijam Muentefering
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heule ich. Zwischen meinen Lippen zieht sich ein Speichelfaden und hindert mich daran, weiter zu jammern.
    »Meinst du, dann hättest du jetzt weniger Angst davor, dich wieder neu zu verlieben?«, fragt sie. Leise. Antonie, die Schnelle, Hektische, Impulsive, ganz still und ruhig und leise. Und mit einer Frage, auf die ich nicht antworten muss.
    Ich sage lange nichts.
    Und sie lauter Dinge, die mich trösten. Die von ihr erzählen. Wie verzweifelt sie mal war. Wie verletzt. Nichts als Trost. Nur die Zeit. Und dann das Begreifen. Dass alles so sein muss. Manche Dinge müssen wirklich geschehen, damit andere geschehen können. Zum Beispiel das Wachsen und Entwickeln, das Verändern.
    Davon erzählt sie mir.
    Bis ich mich beruhigt habe. Und bis ich nicht mehr so verlegen bin. Meine Nase geputzt, die Augen blank gerieben. Ihr Pulli von allen verräterischen Spuren notdürftig mit einem Tempo befreit.
    »Komm«, sagt sie schließlich und streichelt meinen Arm, wie man eben den Arm einer verheulten Freundin streichelt. Aber trotzdem regt sich in mir etwas. Etwas, das auf eine Berührung gehofft hat, wie auch immer, und das sich nun streckt und reckt, um ein bisschen mehr davon zu bekommen. »Komm, wir gehen mit Loulou ’ne Runde um den Block, ja?«
    Das machen wir dann auch.
    Loulou trabt zufrieden neben oder vor uns her, und wir schlendern dahin in der kalten Nacht. Spät ist es inzwischen. Als das Haus wieder in Sicht kommt, wird mir unbehaglich zu Mute. Gleich, weiß ich, wird sie sich verabschieden und verschwinden.
    »Ich weiß nicht mal, wo du wohnst«, fällt mir ein. »Nur weil die Tierpension hier in der Nähe ist, heißt das ja nicht, dass du auch hier wohnst.«
    Antonie fröstelt und zieht die Schultern zusammen. Neben ihr komme ich mir plötzlich sehr groß vor. Die meisten Männer sind größer als ich. Aber sehr viele Frauen überrage ich um etliche Zentimeter oder sogar mal einen halben bis ganzen Kopf.
    Ich stutze, ärgerlich. Wird das immer so weitergehen? Bei Männern ist es soundso, bei Frauen ist es soundso. Ich will das einfach sein lassen. Aber irgendwie schaff ich es nicht.
    »Meine Wohnung liegt quasi am anderen Ende der Stadt. Aber keine Bange, ich kenn den Weg. Du bist wohl müde?«
    Ich bin tatsächlich müde. Und meine Augen sind verquollen. Aber ich möchte nicht, dass sie geht. Etwas ist an diesem Abend noch nicht eingelöst.
    Als ich zum klaren Sternenhimmel hinaufsehe, ist der Mond voll und rund.
    »Guck mal!« Ich deute hinauf, und sie folgt lächelnd meinem Finger mit den Augen. »Glaubst du an Werwölfe?«
    »Sicher«, sagt sie. »Aber nur an die guten. Sonst würde ich mich jetzt nicht mehr heimtrauen.«
    Nur noch wenige Meter bis zur Haustür.
    Zehn, neun … fünf … wir sind da.
    »Tja, dann …«, sagt sie und vergräbt ihre Hände tief in den Jackentaschen. Ihr Atem steht als helles Fantasiegebilde vor ihrem Mund.
    Sie wird mich ganz sicher nicht umarmen zur Verabschiedung.
    Auf keinen Fall wird sie sich vorbeugen und mich küssen.
    Ich habe das noch nie gewollt. Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine Verabredung gehabt zu haben, an deren Ende ich erfüllt war von einem geradezu gewalttätigen Kribbeln in allen Winkeln meines Körpers. Die maßlose Enttäuschung, die bereits auf der Lauer lag, macht sich bereit zum Sprung. Hinein in mein Genick. Wenn sie jetzt geht, wird es ganz leer sein um mich.
    Ich öffne den Mund.
    »Möchtest du …? Ich meine, würdest du …?«
    »Ja?«
    »Ach, nichts.«
    »Sag es doch!«
    »Nein, das war eine dumme Idee.«
    »Lass mich das doch entscheiden, wie ich die Idee finde!«
    »Nein, wirklich, also, ich weiß gar nicht, wie ich plötzlich darauf gekommen bin. Du hast sicher anderes zu tun, als …«
    Sie sieht mich an. Stumm.
    »Als hier zu übernachten«, vollende ich den Satz, um mir endgültig total durchgedreht vorzukommen.
    »Cool«, meint Antonie und nimmt die Hände aus den Taschen, um die Arme um sich zu schlingen. »Passt mir hervorragend.«
    »Jetzt echt?«
    »Ganz echt.«
    »Cool«, sage ich jetzt auch. Was anderes fällt mir einfach nicht ein.
    Ich schließe die Tür auf und hinter uns dreien wieder ab.
    »Das ist hier so im Haus«, flüstere ich Antonie zu. Aber sie zuckt nur mit den Schultern. Offenbar findet sie es nicht merkwürdig, dass wir hier hintereinander wieder die wenigen Stufen zu meiner Wohnung hinaufgehen. Mitten in der Nacht, gemeinsam hineinkommen in die warme Wohnung.
    Loulou streckt sich, gähnt und schreitet

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