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Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Titel: Das Gegenteil von Schokolade - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirijam Muentefering
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verschwinde rasch im Bad.
    Ich versuche mich zu beeilen, aber ich glaube, ich brauche eine halbe Ewigkeit da drinnen. Mach ich diesen ganzen Aufwand wirklich jeden Abend? Zahnpflege. Gesichtsreinigung. Cremes. Wässerchen. Schnickschnack. Und denken. In erster Linie denken.
    Ich sehe mir im Spiegel in die Augen und sage mir selbst, dass dies kein Traum ist. Obwohl es mir so vorkommt. Es kommt mir nicht so vor wie damals … Bevor ich Lothar kennen lernte, erlebte ich öfter mal ähnliche Situationen … jemand übernachtete bei mir, in meiner Wohnung, schlief mit mir im gleichen Bett und zu einem hohen Prozentsatz dann auch mit mir. Oder ich stahl mir einfach eine Nacht und ein paar Tage, platzierte mich auf einem fremden Futon und kehrte danach in meinen Alltag zurück.
    Ich lachte über dieses Spiel, gemeinsam mit den Männern, die mit mir zusammen nach den gleichen Regeln spielten. Eine davon lautete: Es wird nie ernst! Sicherlich hat der eine oder andere sein Herz dabei über Bord geworfen. Genauso wie ich auch einmal an diese tiefe Klippe geriet. Aber die oberste Regel lautete, dass so etwas nicht geschehen durfte. Und wenn es dennoch geschah, sprachen wir nicht darüber, nahmen rasch Abschied und vergaßen alles, vielleicht in einem neuen Spiel.
    Ich kenn das also. Sage ich mir selbst.
    Aber alles fühlt sich anders an.
    Es fühlt sich einfach nicht an wie ein Spiel.
    Der Blick in den Spiegel und die Vergangenheit hat mich viel Zeit gekostet. Antonie wird denken, ich habe mich im Klo abgezogen.
    Als ich endlich rauskomme, bleibe ich eine Sekunde lang in der Tür zum Schlafzimmer stehen und schnuppere. Es liegt ein Duft im Raum, altvertraut.
    Bilder von Anni, meiner Freundin aus Teenagerzeiten, wie wir in Pyjamas in einem Bett gesessen hatten. Duschshampoo, Creme, vermischt mit dem Geruch nach warmem Körper. Frauenkörper.
    »Was hast du?«, ertönt Antonies Stimme aus einem Wust von Kissen aus der einen Bettseite.
    »Nichts«, brumme ich etwas verlegen und schlüpfe rasch unter meine Decke.
    Sie blinzelt mich an mit müden Augen und lächelt.
    »Du machst so was also nicht öfter?«, fragt sie, und ich spüre, wie eine leichte Gänsehaut meine Arme überzieht. Bestimmt kann sie Gedanken lesen. So was hat mir noch gefehlt.
    »Was meinst du?«
    »Vorhin hast du gesagt, dass du hier noch nie Übernachtungsbesuch hattest.« Sie schmunzelt. »Du lädtst also nicht jede fremde Frau dazu ein, hier zu schlafen?«
    »Wenn ich ehrlich bin, hatte ich bisher noch nicht die Gelegenheit dazu.« Ich versuche, es genauso scherzhaft anzugehen wie sie.
    »Na, dann hast du die Erste ja gleich genutzt. Das gefällt mir. Ich mag Frauen, die nicht lange rumfackeln.« Sie gähnt hinter vorgehaltener Hand, und so kann ich ihr Gesicht nicht sehen. Aber ich traue meinem Gefühl , und das sagt, dass ihr Satz nicht triefende Ironie, sondern eine große Portion Wahrheit beinhaltet. Mein linker Fuß zuckt nervös.
    Eine Weile sagen wir nichts.
    Die Atemzüge neben mir werden tiefer und gleichmäßiger.
    »Ich fürchte«, murmelt sie schläfrig. »Ich werde jeden Moment einnicken. Schlaf gut.«
    »Du auch«, erwidere ich mit Kloß im Hals. »Träum was Schönes.« Meine Stimme klingt ein wenig rau von dieser plötzlichen Vertrautheit in meinen Worten.
    Gerade habe ich mich daran gewöhnt, allein zu schlafen.
    Gerade schien mir mein Bett nicht mehr so unendlich groß und die Stille im Raum nicht mehr beängstigend. Der Baum vor meinem Fenster spricht hin und wieder zu mir. Und gerade hatte ich mich daran gewöhnt, es als ein Schlaflied zu hören, das er mir singt.
    Und jetzt. Liegt sie hier. Einfach so. Weil ich das so wollte. Sie eingeladen habe.
    »Antonie?«, flüstere ich.
    »Ja?« Ihre Stimme klingt so, als sei sie schon mit einem Fuß im Land der Träume.
    »Diese Frage, die ich dir vorhin gestellt habe, weißt du noch? Wie du mit einer Frau umgehen würdest, die vorher nur mit Männern zusammen war. Du hast gesagt, früher hättest du es anders gesehen als jetzt … das hast du doch gesagt, nicht? Wann war ›früher‹?«
    Für eine Weile bleibt es still im Raum. Ich glaube schon, sie sei eingeschlafen und hätte ihre Antwort nur gedacht, in dem Glauben, sie ausgesprochen zu haben. Doch dann bewegt sie sich neben mir, dreht sich von mir fort auf die andere Seite und kuschelt sich erneut in die Decke, bis sie bequem liegt.
    »Sagen wir mal vor vier bis fünf Wochen«, murmelt sie dann und schläft endgültig ein.
    Ich liege im Dunkeln

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