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Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Titel: Das Gegenteil von Schokolade - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirijam Muentefering
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ganze Weile ziemlich gut, aber dann … ach, ich weiß nicht, was dann passiert ist. Irgendwie hat sich alles verändert.«
    Sieh an, denke ich. So was kommt also nicht nur in den Büchern vor, die ich gerade so lese.
    »Wir haben uns ständig gestritten. Sie hat so viel an mir herumkritisiert, und mir passte auch so einiges nicht mehr. Und dann bist du mir aufgefallen. Hast immer nur am Rand gestanden und gelesen, was die anderen erzählten im Chat. Das hat mich an mich erinnert, früher. Ich glaube, deshalb hat es mich auch nicht besonders überrascht, als du mir erzählt hast, dass du gerade erst eine Beziehung mit einem Mann hinter dir hast …«
    »Na ja, das mit der Trennung ist ja jetzt schon fast ein halbes Jahr her«, unterbreche ich sie schnell und fange ihren verwunderten Blick auf. »In einem halben Jahr kann viel passieren, meine ich damit.« Schon wieder werde ich rot. Aber sie übersieht es freundlicherweise und schaut seufzend zur Seite: »Wem sagst du das?!«
    Ich betrachte für einen Moment ihr hübsches Profil, bevor ich mich wieder nach Loulou umsehe, die gerade einen anderen Hund begrüßen muss.
    »In diesem halben Jahr haben Ramona und ich uns sehr entfremdet. Die ständigen Streitereien. Kaum noch Schönes, das wir geteilt haben. Ich denke, das war der Nährboden, auf dem dann so etwas wachsen konnte, wie es dann zwischen dir und mir passiert ist.«
    Ich trete vor einen Tannenzapfen, der den Weg entlangkullert. »Eigentlich ist ja gar nichts passiert«, weiche ich ihrer Andeutung aus.
    »Denkst du das wirklich?«, erwidert Emma und sieht mich eindringlich von der Seite an.
    Ich lache sicherheitshalber ein bisschen. Bloß nicht zu ernst werden jetzt.
    »Du hast ja nicht gerade dazu beigetragen, dass was auch immer hätte passieren können. Immer wenn wir uns treffen wollten, hast du im letzten Augenblick gekniffen …«
    »Ich wollte ja!«, fällt sie mir ins Wort. So eine Vehemenz würde man hinter ihrer zerbrechlich wirkenden Schönheit auf Anhieb nicht erwarten. Aber ich kann damit rechnen, stelle ich etwas erstaunt fest. Ein bisschen kenne ich sie also doch schon. »Aber als ich dann wusste, wie du aussiehst, und als ich dann immer mehr und mehr mitbekam, wie du bist, also … ich konnte einfach nicht.«
    »Unsere erste Verabredung … an der Bushaltestelle«, murmele ich, mich erinnernd. »Du warst also doch da! Daher wusstest du, wie ich aussehe?!«
    »Ja.« Emma seufzt und lächelt, um das Ganze zu entschärfen. »Ich war viel zu früh da und hatte mich in das Café nebenan gesetzt, mit Blick auf die Straße. Und dann kamst du, auch zu früh. Und ich dachte, ich könnte dich ein paar Minuten in Ruhe anschauen und mich an deinen Anblick gewöhnen und dann ganz gelassen zu dir rausgehen. Aber …«
    »Aber?«
    »Als ich dich ein paar Minuten angesehen hatte, da war mir klar, dass ich es nicht schaffen würde. Ich würde mich nicht an deinen Anblick gewöhnen. Und ich würde auch dieses Spiel nicht durchziehen können.«
    So muss sich Pinocchio gefühlt haben: hölzern.
    »Spiel?«, wiederhole ich.
    Jetzt wird Emma noch blasser unter ihrem dunklen Haar. Ihre grauen Augen sind wie das aufgewühlte Meer an Sturmtagen. Ich korrigiere meine Empfindung von vorhin: Es ist sehr gut vorstellbar, dass sie mitten in Matsch und Kälte durch den Wald läuft. Sie passt hierher, weil sie ein Wintermensch ist. Silberblau wie der Vollmond in klirrend kalten Nächten.
    »Ich dachte am Anfang, es sei eines«, antwortet sie leise. »Oder vielmehr hätte ich es wohl gern so gehabt. Ich wollte mich ablenken, wollte etwas Zerstreuung finden, wollte wieder einmal das Kribbeln spüren. In meiner grenzenlosen Naivität habe ich geglaubt, dadurch würde ich mich mit Ramona auch wieder besser fühlen. Aber das Gegenteil war der Fall … es ging mir immer schlechter. Meine Realität verwässerte immer mehr. Mein Leben wurde zu einer echten Farce. Eigentlich habe ich nur noch wirklich gelebt, wenn ich abends meinen Rechner anwerfen konnte.«
    »Hat sie nichts gemerkt?«, frage ich.
    Emma gibt ein Geräusch von sich wie ein bitteres Lachen. »Klar hat sie was gemerkt. Sie hat gemerkt, dass ich nicht die Alte war. Ich war froh darüber. Aber sie war irritiert, fand mich merkwürdig. Und schließlich hat sie es mir auf den Kopf zugesagt.«
    Ich sage nichts. Aber die Frage hängt zwischen uns beinahe greifbar in der kalten Luft. Die Frage, was Ramona ihr denn wohl auf den Kopf zugesagt haben kann – wo doch gar nichts

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