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Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Titel: Das Gegenteil von Schokolade - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirijam Muentefering
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eine großartige Chance für mich, aus meiner misslichen Lage zumindest etwas Profit zu schlagen.
    Als ich mich um kurz vor zwei in meinem Stuhl gähnend zurücklehne, habe ich tatsächlich ziemlich viel zu meinem neuen Thema zusammengetragen.
    Jetzt hab ich eine Pause wirklich verdient.
    »Und du möchtest bestimmt gern eine Runde im Wald drehen, oder?«, frage ich Loulou.
    In diesem Augenblick klingelt das Telefon. Ich werfe einen elektrisierten Blick hinüber. Aber ehe ich mich auch nur bewegen kann, klingelt es auch an der Tür. So was nennt man also Gewissenskonflikt. Aber ich habe kaum die freie Wahl, ob ich nun öffne oder den Hörer in die Hand nehme. Denn Loulou nimmt mir die Entscheidung ab, indem sie beschließt, heute mal anzuschlagen.
    Ich renne also hinter meinem kläffenden Köter durch den Flur und reiße die Tür auf. Das Mädchen dort lässt sich durch meinen bellenden Hund nicht verschrecken, sondern hält mir sofort demonstrativ eine Spendenbüchse entgegen.
    »Guten Tag, haben Sie heute schon darüber nachgedacht, wie viel Geld Sie jedes Jahr für teure Weihnachtsgeschenke ausgeben?«, leiert sie herunter, während sich im Wohnzimmer gerade der Anrufbeantworter einschaltet und das verpasste Gespräch entgegennimmt. »Nur drei Euro würden aber ein Kind am anderen Ende der Welt schon für ein paar Tage satt machen. Gerade in der besinnlichen Vorweihnachtszeit sollten Sie darüber nachdenken, ob Sie selbst in unserer Konsumgesellschaft nicht auch mehr Verantwortung für die Notleidenden dieser Welt …«
    »Stopp!«, sage ich und halte eine Hand hoch. Das Mädchen hält tatsächlich mitten im Satz inne und glotzt mich an, als hätte ich sie mit meiner Unterbrechung aus einer bereits Tage andauernden Hypnose gerissen. Loulou starrt angespannt auf die immer noch hoch in die Luft gereckte Sammelbüchse, die sie offenbar an den Behälter zum Transport ihrer Leckerchen erinnert.
    Ich stecke eine Hand in die Tasche der Jacke, die neben mir an der Garderobe hängt, und wühle darin herum. Erstaunlich, wieso manche Dinge geschehen. Diese beiden Zwei-Euro-Stücke, die ich schon seit Wochen mit mir herumtrage, sind also genau deswegen in der Jackentasche zurückgeblieben.
    »Bitteschön!«, sage ich lächelnd und fummele die Geldstücke in den Schlitz, wo sie klirrend zu ein paar anderen fallen.
    »Danke«, antwortet das Mädchen und öffnet noch einmal den Mund, um einen wahrscheinlich ebenfalls auswendig gelernten Satz zu sagen.
    Ich lasse das jedoch nicht zu, winke ihr höflich, aber bestimmt und schließe die Tür wieder.
    Dann haste ich ins Wohnzimmer und tippe so heftig auf den Nachrichtenknopf des Anrufbeantworters, dass meine Fingerspitze davon wehtut.
    »Hi, Frauke«, sagt Antonies helle Stimme. Ich fahre zusammen. »Sorry, dass ich mich jetzt ein paar Tage nicht gemeldet habe. Du hast dich vielleicht gewundert. Aber meine liebe Freundin Steffi hat mich überraschend nach Mallorca entführt. Keine Angst! Keine Ballermann-Tour.« Sie lacht. »Aber die Steffi arbeitet in einem Reisebüro und kriegt die Sachen da manchmal superbillig. Also haben wir uns ein paar Tage den Arsch auf Mallorca abgefroren, umzingelt von deutschen Rentnern. Na, das mach ich auch nicht noch mal. Aber Steffi meinte, so was muss man auch mal erlebt haben. Ich weiß ja nicht … es war echt voll die tote Hose.« Sie macht eine kleine Pause, und ich höre ihren Atem, der mir auf eine aufregende Weise vertraut vorkommt. Ich muss mich zwingen, daran zu denken, dass sie mich belogen hat. Aber dieser Gedanke ist so schwammig und glitschig wie eine weich gekochte Bandnudel im Wasser. Einzig ihr Gesicht, ganz nah vor meinem, das ist ganz deutlich. Dann klingt ihre Stimme ein bisschen ernster, warm und liebevoll. Ich bekomme einen Kloß in den Hals, als sie sagt: »Musste mich jetzt unbedingt mal kurz bei dir melden. Auch wenn ich noch in der Praxis bin. Aber ich geh jetzt zum Griechen, wo wir mal zusammen gegessen haben. Vielleicht hörst du das hier ja rechtzeitig und hast Lust hinzukommen? Fänd ich cool. Bis später dann.«
    Piep.
    Mindestens eine Minute vergeht, ohne dass ich mich auch nur einen Millimeter bewege.
    Dann strecke ich die Hand aus und drücke den Wiedergabeknopf noch einmal.
    Ihre Stimme rieselt mir wie warmes Wasser den Rücken herunter. Dass sie mit mir spielt, das hört man ihr wirklich nicht an. Ein kleiner Zweifel schleicht sich meinen Nacken herauf. Er sagt, dass es doch sein kann, dass Lothar sich irrt. Alles

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