Das Gegenteil von Schokolade - Roman
passt so gut. Überhaupt. Sie hat schon Recht. Auch wenn ich Fernsehen mache und sie StudentInnen unterrichtet, beschäftigen wir uns beide mit den gleichen Themen. Moral. Ethik. Wissenschaften. Und was sie erzählt hat von den Gängeleien an ihrer Fakultät, das wirkt ganz so wie die Ellenbogen der lieben Kollegen, die sich einer freien Journalistin auch ständig in die Seite bohren.
Zwischen uns wäre bestimmt ein wunderbarer Austausch möglich. Wir leben in der gleichen Welt. Es scheint perfekt zu sein. Davon abgesehen, dass vielleicht die eine oder andere Schwierigkeit auf mich wartet. Zum Beispiel, wie erzähle ich so was meinen Eltern? Wir haben nicht mehr besonders regen Kontakt, nur zu den Feiertagen sehen wir uns regelmäßig, und hin und wieder telefonieren wir. Ich habe ihnen die Trennung von Lothar mitgeteilt. Und falls Emma und ich … also, dann müsste ich ihnen das doch auch irgendwie sagen, oder?
Falls Emma und ich.
Bei diesem Gedanken setzt es bei mir irgendwie aus. Die letzten vierundzwanzig Stunden waren wirklich hart. Der Abend bei Lothar, unsere wahnwitzige »Erkenntnis« – dafür muss ich ihn noch zusammenstauchen! –, die halb durchwachte Nacht und der nervenbelastende Vormittag. Und auch wenn es mit Emma wunderschön war, wirklich wunderschön, trotzdem war es doch auch aufregend und anstrengend. Ich bin ganz kaputt. Am meisten aber von diesen Überlegungen, die mich jetzt einkreisen. Meine Augen werden ganz schwer davon. Bleischwer.
Ihr Gesicht ist so nah, dass ich die Farbe ihrer Augen ganz genau erkennen kann.
Ich glaube, ich habe nie zuvor jemanden mit grauen Augen gekannt.
Ich bin von ihrem Blick elektrisiert. Nur weil sie mich anschaut, unergründlich.
Fremd ist sie mir, und anders.
Die Haare an meinen Armen richten sich auf, als sie mich berührt.
Nackt. Ohne Worte. Ich platze fast vor Gier. Nach ihr. Dass sie auf mir liegt, und unter mir, und an mir. Haut an Haut.
Nur vorsichtig kommt sie näher. Als läge in dieser Erfüllung eine Gefahr. Wagt sich nur Stück für Stück.
Während ich schon bebe und mich schäme, weil ich es kaum aushalten kann. Dass ich so hungrig bin, das habe ich nicht geahnt.
Es schmerzt in meiner Körpermitte wie ein hoher Ton, der nicht zur Stille kommt, solange sie nicht ganz bei mir ist.
Aber sie kommt. Zu mir. Ich will trinken.
Ein Geräusch.
Der Wecker? Nein, irgendwas anderes … irgendwas … das Telefon … es ist das Telefon … ich taste um mich. Ich bin auf dem Sofa eingeschlafen. Keine Ahnung, wie spät es ist. Ich habe geträumt. Nach dem dritten Läuten geht der Anrufbeantworter ran.
»Hi, Frauke, ich bins noch mal. Keine Angst, heute Nacht komm ich nicht einfach so vorbei. Ich glaub, es ist auch für einen Anruf ein bisschen spät. Vielleicht hab ich ja Glück, und du verpennst die Störung einfach.« Mein Herz. Oder mein Magen. Irgendetwas steht in Flammen. »Okay, du bist nicht gekommen. War vielleicht ein bisschen knapp mit dem Anruf heute Mittag. Oder bist du etwa auch ganz überraschend nach Mallorca entführt worden?« Sie lacht, und ich kann mir vorstellen, wie sie dazu mit den Schultern zuckt. Um zu sagen, dass sie alles ganz locker nimmt und nur einen Scherz macht. »Tja, ich wollt mich nur noch mal melden, wie gesagt. Dann machs mal gut. Und … du? Wäre schön, etwas von dir zu hören. Ciao.«
Das leise »Klack«, als sie auflegt, das ist auch auf dem Band.
Ich höre es mir noch einmal an.
Besonders das Klack am Ende klingt in meinem Kopf lange nach.
Antonie. Der ich zufällig begegnet bin. Die mich irgendwie erkannt hat, obwohl sie so anders ist. Von der ich gerade träumte.
»Also mal langsam!«, sagt Michelin und hebt die Hände, als müsse sie ein scheuendes Pferd beruhigen. »Noch mal von vorn. Emma und Antonie sind definitiv nicht ein und dieselbe Person?! Stattdessen hat Emma dich spontan gestern besucht, und du hast dich gleich mit ihr ins Bett gelegt?! Nur um anschließend einen wilden Traum von Antonie zu haben, die dann auch noch mitten in der Nacht offenbar telepathisch deine Schwingungen empfangen hat und auf deinen AB gequatscht hat?! Ist das richtig so?«
»Das mit der Telepathie habe ich nicht gesagt!«, korrigiere ich sie.
»Es kommt aber aufs Gleiche raus«, versichert mir meine liebe Freundin und ruft über die Schulter: »Engelchen, wenn du in vier Minuten nicht das Haus verlässt, kommst du zu spät!«
»Ich krieg den Fleck nicht raus!«, ertönt aus dem Bad Angelas hysterisch anmutende
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