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Das geheime Bild

Das geheime Bild

Titel: Das geheime Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliza Graham
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umgesetzt wurde. Er hatte es fast ganz allein gestemmt. Vielleicht war das der Grund gewesen, warum er derart wütend auf die Verunstaltung des Wandgemäldes reagiert hatte.
    Ich war noch nie zuvor bei einer Gesamtprobe gewesen. Als ich die Tür der Turnhalle öffnete, platzte ich in eine Gruppe von sich unterhaltenden und lachenden Schülern. Ein großer, gut aussehender Primaner lehnte an der Turnhallenwand und verfolgte mit kühlem Blick den Ablauf.
    »Er wird den John Proctor spielen«, hörte ich zwei Mädchen tuscheln. »Den Helden. Er wird am Ende gehenkt werden.« Sie sprachen mit spürbarer Ehrfurcht von ihm. Der Primaner grinste knapp, bis ihm einfiel, dass Anzeichen von Begeisterung nur was für Kids waren, sofort verschlossen sich seine Züge wieder zu unverbindlicher Coolness. Die Mädchen stupsten einander an.
    Meine Kenntnis des Stücks Hexenjagd war verschwommen – ich hatte es während der Sommerferien gelesen, als Jenny Hall mich erstmals um Mithilfe bat, aber ich hatte es nie im Unterricht durchgenommen. Ich hatte mir eine DVD von einer neuen Filmfassung ausgeliehen und mir einen Teil davon angesehen. John Proctor, der für Wahrheit und Gerechtigkeit kämpfte, schien gut besetzt zu sein.
    Im Hintergrund der Halle stand Olivia Fenton ganz für sich allein und hielt ein Skript in ihrer Hand. Für eine größere Rolle dürfte sie zu jung sein, schließlich besuchte sie erst die zweite Klasse. Doch gut, dass sie dennoch mitwirkte. Für scheue Teenager konnte die Theatergruppe genau das Richtige sein, da sie ihnen ein paar kostbare Stunden lang erlaubte, in eine andere Haut zu schlüpfen.
    Jenny Hall klatschte in die Hände. »Stellt jetzt bitte alle eure Gespräche ein. Und hört zu. Wir haben nicht viel Zeit.«
    Die Turnhallentür ging auf, und Emily kam mit einem Nähkorb herein. Sie nickte mir kurz zu und stellte sich dann neben Olivia, wo sie aufmerksam zuhörte, als Jenny erklärte, was im Laufe der nächsten Wochen von der Besetzung und denjenigen erwartet wurde, die hinter den Kulissen tätig waren.
    »Es lässt sich nicht vermeiden, dass wir durch Weihnachtskonzerte und andere Aktivitäten unterbrochen werden, deshalb möchte ich, dass das Stück bis zur ersten Woche nach den Herbstferien so gut wie fertig ist. Viele von euch haben ihre Rollen schon vor den Sommerferien bekommen, ihr solltet deshalb euren Text inzwischen kennen. Diejenigen von euch, die seit September zu uns gestoßen sind, haben versprochen, sich schnellstmöglich ihren Text anzueignen. Die Aufführungen werden in der zweiten Dezemberwoche stattfinden. Es gibt also in wenig Zeit viel zu tun.« Sie beschrieb den Zeitplan in seinen Einzelheiten, und mein Geist schweifte ab.
    »Sie sehen aus, als würden Sie tiefschürfenden Gedanken nachhängen.«
    Ich hatte Emily nicht kommen hören, die sich lautlos über den Boden bewegte, und zuckte zusammen. »Nur Tagträumereien. Es ist das Ende eines langen Tags.«
    Ihr Ausdruck war unergründlich. »Haben Sie schon etwas über die Reborn-Puppe herausgefunden, Meredith?«
    »Nicht wirklich.« Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, aber ich würde mich keinesfalls verleiten lassen, das Thema der in meinem Namen erteilten gefälschten Bestellung anzuschneiden, nicht, solange wir von einer Gruppe von Teenagern umringt waren. Ich fragte mich, ob sie von der Fälschung wusste, und hoffte, sie würde mich etwas anderes fragen.
    »Den Lehrern hier liegen die Kids wirklich sehr am Herzen, nicht wahr?« Dabei betrachtete sie die Gruppe um Jenny.
    »Das hoffe ich doch.«
    »Es scheint auch eine Kultur der Unterstützung unter den Mitarbeitern zu geben.« Als sie dieses Lob aussprach, hörte sich das so ausdruckslos an, als würde sie eine Arbeitsplatzbeschreibung vorlesen oder aus der Webseite einer Personalabteilung zitieren.
    »Dafür hat mein Dad sich immer eingesetzt, ja.«
    »Und doch wird es manchmal auch Fälle gegeben haben, in denen Ihr Vater sich von jemandem hat trennen müssen.«
    Ich sah sie überrascht an. »Das kommt nicht oft vor.« War sie in Sorge, sie könnte irgendeinem imaginären Standard eines Gappy nicht entsprechen?
    »Es muss schrecklich sein, wenn man an einem Ort wie Letchford seinen Job verliert. Diese Demütigung.« Sie nahm neben mir auf der Bank Platz und öffnete den Korb, um ein Maßband herauszuholen.
    »Gewiss.« Ich versuchte, mich an Lehrer zu erinnern, denen man nahegelegt hatte zu gehen, doch mir fielen keine ein. Dad und seine Schulbeiräte hatten im

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