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Das geheime Bild

Das geheime Bild

Titel: Das geheime Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliza Graham
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letzten Monats besucht hatte. Nirgends fand ich die Delicious-Confections -Adresse. Auch hatte keine der Seiten, die ich tatsächlich besucht hatte, irgendwelche Verbindungen zu den Reborn-Puppen. Also hatte ich diese Puppe keinesfalls während irgendeiner depressiven Trance bestellt, wie mein Vater mir das offenbar unterstellte.
    Gemeint war die Woche nach Mums Tod. Damals war mein Leben völlig auseinandergebrochen. Dad hatte einen Tapetenwechsel gesucht und war zu Clara gefahren. Ich war hiergeblieben, in dieser Wohnung. Ich hatte sie fünf Tage lang nicht verlassen, nicht einmal, um mit Samson nach draußen zu gehen. Ich hatte einfach die Tür aufgemacht und ihn dreimal am Tag rausgelassen. Wenn ich das Bett verließ, dann nur um mich aufs Sofa zu setzen und den Fernseher einzuschalten. Schließlich war ich dann doch hinunter in den Hof gegangen, weil Samson nach einem seiner Ausflüge nicht mehr hereingekommen war. Ich hatte nicht mitbekommen, dass Clara und Dad nach Letchford zurückgekehrt waren. Zum Glück waren sie es. Geschwächt, weil ich nichts gegessen hatte, fiel ich auf dem Hof in Ohnmacht und schlug mir den Kopf an. Verlor kurzzeitig das Bewusstsein. Sie hörten den Hund bellen und trafen mich neben den Topfpflanzen auf dem Boden liegend an. Ich wischte diese Erinnerung beiseite.
    Natürlich wäre es möglich, dass jemand von einem anderen Computer aus in meinem Namen das Reborn-Baby bestellt hatte. Die Puppe. Ich musste mir immer wieder sagen, dass es wirklich nur eine Puppe war, aus bemaltem Vinyl gefertigt, mit Metallspänen im Kopf. Aber sie wirkte so lebensecht mit der fleckigen Haut der Neugeborenen, den ausdruckslosen Augen und den eingerollten Handgelenken. Mein Vater verwahrte das Ding noch immer in seinem Büro. Kein Wunder, dass es ihn heimsuchte.
    Hätte jemand sich Zugang zu meinem Account verschafft, um die Bestellbestätigung auszudrucken, hätte er mein Passwort benötigt. Mein Passwort setzte sich aus Hughs Dienstnummer und dem ersten Buchstaben seines Namens zusammen. Keiner wäre in der Lage, diese Kombination zu erraten, und sie war auch nirgendwo aufgeschrieben. Ständig nahm ich mir vor, das Passwort zu ändern, wozu einen die IT -Abteilung der Schule auch drängte, aber zu diesem in meinen Augen endgültigen Schritt konnte ich mich nicht durchringen, obwohl ich akzeptierte, dass mein Ehemann nie wieder Teil meines Lebens wäre.
    Ich versuchte, mich zu erinnern, ob ich je einen Laptop in einem Klassenzimmer benutzt hatte, um meine E-Mails einzusehen. Hätte ich irgendwo meinen E-Mail-Account geöffnet gelassen und dazu womöglich noch mein Passwort abgespeichert gehabt, wäre es durchaus möglich gewesen, dass jemand sich Zugang zu meinem Account verschaffte. Doch der einzige andere Schulcomputer, den ich benutzte, war der alte PC im Lehrerzimmer: ein riesiges altes Gerät, das mein Vater immer wieder versprach zu ersetzen. Normalerweise benutzte ich ihn nur, um Zugriff auf einen Stundenplan oder einen Kalender für das Trimester zu haben. Auf alle Fälle würde ich auch das überprüfen.
    Im Lehrerzimmer bereiteten sich meine Kolleginnen und Kollegen mit einem letzten Schluck Koffein auf den Nach mittagsunterricht vor. Staubflusen tanzten im Lichtkegel des durch den Fensterflügel einfallenden Sonnenstrahls, der den Gesichtern der Kaffee trinkenden und Aufgabenhefte korrigierenden Lehrer schärfere Züge verlieh. Nur Emilys junges Gesicht war diesem hellen Schein gewachsen, im Lichtstrahl schimmerte die glatte Haut wie Marmor. Sie saß abseits der anderen und blätterte eine Zeitschrift durch. Wieder fiel mi r auf, dass ihr Gesicht trotz seiner jugendlichen Züge eine Wachsamkeit verriet, die für eine Schülerin in ihrem Gap Year ungewöhnlich war. Denn deren vorrangigstes Interesse sollte eigentlich darin bestehen, ihre bescheidenen Einkünfte für einen Abend in Oxford zu sparen und zu hoffen, dass sie am Ende des Schuljahrs noch genügend Geld übrig hatte, um nach Thailand zu reisen. Sie machte ständig den Eindruck, als sei sie auf der Hut.
    Die Glocke läutete. Seufzend und sich rekelnd bewegten sich alle in Richtung Tür. Emily legte ihre Zeitschrift ab und beobachtete ihre Kolleginnen und Kollegen mit ausdrucksloser Miene.
    »Vergessen Sie nicht die Probe heute Nachmittag«, rief Jenny Hall, die Leiterin der Theatergruppe. »Ich baue auf Ihre Hilfe, Meredith.«
    »Ich werde da sein.« Ich fragte mich, wie Emily wohl mit dem Flicken des Puppenkleids vorankam. Vielleicht

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