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Das geheime Bild

Das geheime Bild

Titel: Das geheime Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliza Graham
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Blick stehen. »Meinem Gefühl nach ist das die richtige Entfernung, aber damals mit siebzehn bin ich womöglich schneller gelaufen.« Er ließ seinen Blick über die Straße schweifen. »In diesem potraviny könnten wir mal nachfragen.« Der potraviny , Eckladen, sah vielversprechend aus: klein genug, dass der Ladenbesitzer seine Kunden und die Nachbarschaft kennen konnte.
    Der Ladenbesitzer war Vietnamese und unterbrach seine Arbeit, um uns zu begrüßen, als wir eintraten. Er antwortete auf die Frage meines Vaters schnell und mit starkem Akzent. Dad zuckte die Achseln und lächelte. Offenbar war die Antwort nicht hilfreich gewesen. Wir gingen zur Tür. Als wir bereits draußen auf dem Gehweg waren, rief uns eine Frau hinterher. Eine winzige Vietnamesin kam heraus und zeigte die Straße hinunter. Dad dankte ihr. Mir fiel auf, wie aufgeregt er war. »Sie meint, dort unten gibt es eine Familie, die etwas wissen könnte. Sie leben schon seit Jahren in diesem Viertel, meint sie.«
    Er schien sein Tempo zu drosseln, als wir die Straße überquerten und uns dem Wohnblock aus dem neunzehnten Jahrhundert näherten. Als er die Liste der Namen auf dem Klingelbrett studierte, spürte ich, dass irgendetwas, ein einzelnes Wort, ein Seufzer ausreichen würde, um ihn von seiner Mission abzubringen. Er atmete aus. »Ich werde es hier versuchen.« Er drückte auf die Klingel. Keine Antwort. Er trat zurück. »Na, dann gut.«
    »Versuch es woanders.«
    »Keiner der Namen sagt mir etwas.«
    »Das ist doch egal. Trotzdem könnte jemand etwas wissen.«
    Er drückte auf den zweiten Knopf. Die tiefe Stimme eines Mannes antwortete. Dad sagte etwas auf Tschechisch und schüttelte den Kopf, als die Antwort kam.
    »Das ist hoffnungslos«, sagte er. »Lass uns gehen, Merry.«
    »Nein.« Ich stellte mich vor ihn, sodass er sich nicht von der Tür wegbewegen konnte. »Lass es mich versuchen.« Ich zielte mit dem Finger auf eine Reihe Klingelknöpfe und erwischte zwei gleichzeitig. Eine Frau, die sich jung anhörte, schrie mich durch die Gegensprechanlage an.
    »Sie sagt, sie werde die Polizei rufen, wenn wir nicht weggehen.«
    Ich hielt eine Hand hoch, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Was war das?« Eine andere Stimme, männlich, älter, schwankend, sagte jetzt etwas. »Was hat er gesagt?«
    Dad näherte sich der Sprechanlage und sagte rasch etwas. Achselzuckend berichtete er: »Er meint, wir sollten es im übernächsten Haus die Straße hoch versuchen.«
    Im Weitergehen warf ich von ihm unbemerkt einen Blick auf meine Uhr. Genauso wie das Haus, das wir gerade verlassen hatten, gab es auch beim nächsten eine Ansammlung von Namensschildern. Dad überflog sie.
    »Ich erkenne keinen der Namen. Das ist vergebliche Mühe.«
    Da kam eine Frau mit einem Kleinkind im Buggy. Wir traten beiseite, um sie durchzulassen. Dad fragte die Frau etwas. Sie schüttelte den Kopf und schloss die Eingangstür auf. Als die Tür schon fast zugefallen war, schien ihr etwas eingefallen zu sein, und sie sagte etwas.
    »Im Krankenhaus«, sagte Dad. »Sie wohnt hier, aber sie ist im Krankenhaus.« Er streckte einen Arm aus, damit die Tür nicht zufiel, und stellte eine Frage.
    Die Antwort kam zögernd. Er erwiderte etwas darauf und wandte sich dann an mich. »Wir kommen hier nicht weiter.«
    »Welches Krankenhaus?«, fragte ich.
    Während die junge Frau antwortete, öffnete sich oben eine Tür. Eine Stimme, älter, weiblich, rief etwas nach unten. Die junge Frau zwinkerte mit den Augen. Schüttelte den Kopf. Sagte etwas, offenbar belustigt.
    »Sie ist zurück«, berichtete Dad mir. »Sie möchte, dass diese Dame hier ihr etwas Brot kauft.«
    Die Frau schüttelte den Kopf, machte kehrt und ging lachend wieder durch die Tür, scheinbar, ohne dass es ihr etwas ausmachte. Sie zeigte die Treppe hoch.
    »Ich denke, wir müssen hochgehen. Sie möchte sehen, wer wir sind.«
    Wir stiegen die alte Treppe mit ihrem schmiedeeisernen Geländer hinauf. »Es könnte der Ort sein«, sagte mein Vater fast flüsternd.
    »Du meinst, dass das hier sogar die Wohnung ist?«
    »Ich weiß es nicht genau.«
    Die alte Frau stand auf dem Treppenabsatz. Sie stützte sich auf einen Stock, aber ihre Augen glänzten. Sie bestürmte meinen Vater mit einem Schwall Tschechisch, und er antwortete. Sie wirkte unsicher. Ich hoffte auf eine Übersetzung, aber seine Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf die alte Dame. Sie begann, ihn anzuschreien, fuchtelte mit dem Stock herum. Er hielt abwehrend seine

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