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Das geheime Bild

Das geheime Bild

Titel: Das geheime Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliza Graham
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Hände hoch und schien sie anzuflehen. »Dad …«
    Er streckte eine Hand aus. »Warte, Meredith.«
    Sie senkte den Stock, aber ihre Augen funkelten. Er schüttelte den Kopf und murmelte leise etwas. Sie blaffte eine Antwort und strich sich mit der freien Hand über die Augen. Er sagte etwas zu ihr. Dann schrie sie wieder und stupste den Stock gegen seine Schulter, als wollte sie ihn erstechen.
    Ich trat vor. »Hören Sie auf damit.« So viel Englisch verstand sie. »Ihr geht es eindeutig schlecht. Sie ist …« Ich wusste nicht, wie ich diesen Zorn bezeichnen sollte. Vielleicht litt die alte Dame an einer Art Demenz.
    »Sie hat jedes Recht der Welt, auf mich wütend zu sein.« Er sagte etwas auf Tschechisch und hielt seine Hände in die Höhe, als würde sie ihn mit einer Pistole bedrohen.
    Sie musterte ihn ein paar Sekunden lang. Dann scheuchte sie uns in ihre Wohnung und führte uns in einen stickigen Raum mit Bambusmöbeln und einem Käfig voller Kanarienvögel am anderen Ende neben dem Balkon. »Sie sagt, wir sollen Platz nehmen«, flüsterte Dad. Er starrte den altmodischen Fernseher in der Ecke an. »Wir haben immer Trickfilme angeschaut. Ich erinnere mich noch an einen von einem Maulwurf.«
    »Was soll das alles?«, fragte ich. »Ist sie dement?«
    »Hana«, erwiderte er schlicht.
    »Es war nicht dein Fehler, dass du sie im Wald zurückgelassen hast.«
    Er machte eine seiner zentraleuropäischen Gesten mit seinen Schultern.
    Ich setzte mich auf einen Polsterstuhl. Die alte Dame fragte ihn etwas.
    »Sie weiß nicht wirklich, wer ich bin«, sagte er.
    »Hat sie dir gesagt, was aus Hana geworden ist, nachdem du das Land verlassen hattest?«
    Er schüttelte den Kopf. Aber dann sprach die alte Frau wieder.
    »Karel?«, sagte sie langsam. »Karel Stastny?« Als hätte sie den Namen vorhin nicht richtig verstanden.
    Er nickte. Sie schob rasch noch eine weitere Frage nach. Er antwortete und bedeutete mir, dass wir gehen sollten. Ihre Hand lag auf der Türklinke, bereit, uns hinauszubegleiten. Sie hielt inne. Ich konnte die Zweifel, Ängste, Fragen fast sehen, die ihr durch den Kopf gingen. Sie nickte wieder Richtung Wohnzimmer. Ich kehrte zu meinem Stuhl zurück. Dad sagte wieder etwas, und sie antwortete langsam, schüttelte den Kopf, wischte sich die Augen. Er blinzelte. Legte seine Stirn auf seine Hand.
    »Hana ist gestorben«, sagte er und stieß einen tiefen Seufzer aus. »Vor vielen Jahren. Ich hatte keine Ahnung, und keiner wusste, wie er es mir mitteilen sollte.«
    »Es tut mir so leid, Dad.« Ich war selbst überrascht, dass er mir leidtat. Vor diesem Morgen hätte ich diesen Verlust gegenüber dem Verlust meiner Mutter als sehr gering eingeschätzt. Er mochte weniger schwer wiegen, ein Schmerz war es dennoch.
    »Nun, das war’s also.« Er wollte aufstehen. »Wenigstens weiß ich es jetzt.« Er zwang sich zu einem Lächeln. »Besser Klarheit als Ungewissheit.«
    Die alte Frau strich sich wieder mit der Hand über ihre Augen. Er legte eine Hand auf ihre Schulter. Ich sah, wie ihr Blick sanft wurde. Sie sah aus, als sei sie bereit, sich auf ein fremdes Paar aus einem fernen Land einzulassen. Obwohl Dad natürlich nicht wirklich ein Fremder für sie war. Als Hanas Freund dürfte sie ihn kennengelernt haben in jenen glücklichen Tagen, kurz bevor die Russen in das Land einmarschierten.
    »Wartet hier«, sagte sie, und ich verstand sie jetzt ausgezeichnet, obwohl sie immer noch tschechisch sprach. Sie trat an eine Schublade, wo sie zwischen Papieren kramte und Schachteln öffnete. Was es auch immer war, wonach sie suchte, es schien nicht an seinem Platz zu sein. Sie humpelte in ein anderes Zimmer.
    Ich hörte sie seufzen und murmeln und das Geräusch von Schubladen und Schränken, die geöffnet wurden. Hoffentlich überforderten wir sie nicht. Schließlich war sie gerade erst von einem Krankenhausaufenthalt nach Hause gekommen. Ein muffiger Geruch wehte in den Raum, in dem wir warteten. Sie brachte ein altes Fotoalbum mit und reichte es Dad. Dann zeigte sie mit ihrem faltigen Finger auf die Fotos. Er setzte sich aufrechter hin und stellte ihr eine Frage. Als sie antwortete, griff er in seine innere Jacketttasche, um seine Lesebrille herauszuholen. Er studierte das verblasste Farbfoto und nickte bedächtig. Dann senkte er das Album, sah der alten Frau in die Augen und erzählte ihr etwas. Ihre Feindseligkeit schien ein wenig nachzulassen. Er bedrängte sie mit einer Frage, und sie schüttelte den Kopf. Dann

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