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Das geheime Bild

Das geheime Bild

Titel: Das geheime Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliza Graham
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Kleinkinds war verschwunden. Ersetzt durch einen wachsamen, ernsthaften Gesichtsausdruck.
    Ich kannte diesen Gesichtsausdruck gut.
    Olivia Fenton war meine Nichte, so wie die beiden Jungs von Clara meine Neffen waren. War das der Grund für meinen Beschützerinstinkt? Als ich sie kennenlernte, hatte offenbar unterschwellig ein familiäres Erkennungssystem gearbeitet. Vielleicht hatte ich diese Ähnlichkeit mit Clara erkannt, ohne mir dessen bewusst zu sein. Clara. Wir mussten Clara, sobald wir wieder in Letchford waren, alles erzählen, eigentlich schon eher. Wenn wir diese Information nicht gleich nach unserer Landung an sie weitergaben, war Ärger mit meiner Schwester vorprogrammiert. Wie das auch der Fall gewesen war, als die Reborn-Puppe im Schrank gefunden wurde und Clara sich beschwerte, dass es ihr keiner sagte und sie es aus einer Textnachricht erfahren musste. Als mir die Puppe wieder einfiel, fragte ich mich, ob es nicht womöglich doch eine Verbindung zwischen ihr und diesen familiären Enthüllungen gab. Aber Olivias Tante, Sofia, hatte mir versichert, dass sie nichts damit zu tun hatte. Ich hatte ihr geglaubt.
    »Was für eine Offenbarung. Ich empfinde …« Dad schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was ich empfinde. Ich wünsche mir nur, deine Mutter wäre hier.«
    Demnach würde sie ihm also seine Gefühle erklären. Das ist die Rolle, die Frauen in Beziehungen lange geübt und zur Perfektion gebracht haben: die Interpretation der kompakten und manchmal überwältigenden Gefühlswelt ihrer Männer.
    »Ich weiß nicht, was ich mit all dem anfangen soll, Merry.«
    Mir fiel auf, dass er mich mit meinem Kindernamen ansprach.
    »Deine Mutter hätte gewusst, wie wir vorgehen müssen, um für Olivias … Situation eine Lösung zu finden. Aber vielleicht hätte sie mir in diesem Fall auch keinen Rat geben können, wer weiß?« Er schüttelte den Kopf. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Mum ihm eine jugendliche Romanze mit Folgen, die gleichzeitig traurig und wunderbar waren, nachtragen würde. Obwohl ein lockerer Umgang damit vielleicht zu viel von ihr verlangt gewesen wäre. Oder Rat zu erteilen. Oder sich mühelos damit abzufinden, dass die Enkelin ihres Ehemanns in der Schule wohnte. Sosehr ich mich auch nach ihrer Lebensklugheit sehnte, war ich doch erleichtert, dass wir dies alles erst nach ihrem Tod erfuhren.
    »Ich kannte Hana eigentlich nur sechs Monate«, fuhr er fort. »Und davon waren wir nur drei Monate … ein Liebespaar, bevor wir die Reise zur Grenze antraten.« Er unterbrach sich, als die Stewardess jedem von uns ein Glas Wein brachte. Fast hätte ich ihr meins aus der Hand gerissen. Dad trank seinen Wein langsamer. »Es war eine sehr intensive Zeit damals. Aber ich ließ sie einfach so zurück. Habe ihr Leben zerstört. Sie, die mein Kind erwartete. Das kann ich mir nicht verzeihen.«
    »Du weißt nicht, ob du ihr Leben zerstört hast.«
    »Allein? Schwanger? Die einmarschierenden Russen?«
    »Vielleicht hat dieses Kind ihr viel Freude bereitet. Es scheint ihr nicht schlecht gegangen zu sein.« Ich dachte an die alte Dame in ihrer Wohnung, an das abgegriffene Fotoalbum und stellte mir Hanas Kinder und ihre durch die Wohnung zockelnde Enkelin vor, die vielleicht darum bat, hochgehoben zu werden, um sich die Kanarienvögel im Käfig anzuschauen. Es mag zwar nicht Letchford mit seinem weitläufigen Landschaftsgarten und seinem See gewesen sein, auch nicht das, was Dad und Mum für uns geschaffen hatten, aber in dieser Wohnung hatte es Liebe gegeben. Und Prag war eine wunderschöne Stadt. Selbst ein repressiver Staat konnte den barocken Gebäuden und dem geschwungenen Lauf des Flusses oder den Hügeln und Wäldern im Rest des Landes nichts anhaben. Ich stellte mir vor, wie sie im Winter spazieren gingen, wenn der Schnee das Licht des Flusses widerspiegelte, oder wie sie die Sonntagnachmittage in einem der Parks verbrachten.
    »Wirst du mit Olivia sprechen?«, fragte ich.
    »Nur in Anwesenheit ihrer Tante. Sie ist in einer sehr schwierigen Situation, und wir müssen das behutsam angehen. Vermutlich hat sie doch keine Ahnung, dass sie mit uns verwandt sein könnte.«
    Ich ging jedes Gespräch, das ich mit Olivia geführt hatte, noch einmal im Geiste durch und fand keinen Hinweis darauf, dass sie etwas wusste. »Weiß Gott, warum die Tante sich entschlossen hat, sie derart geheimnistuerisch nach Letchford zu schicken.« Es musste für das Mädchen merkwürdig gewesen sein, dass sein Name von

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