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Das geheime Kind

Das geheime Kind

Titel: Das geheime Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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Kiste. Sechs Kugeln, bedeckt von einer Rostschicht. Das war gar nicht so schlecht, der Rost bremste die Kugeln auf Sand ab. Außerdem war da ein neongrünes Schweinchen, wie die kleine Zielkugel genannt wurde.
    »Die sind unverkäuflich«, sagte die Havemann.
    »Warum?«
    »Hat jemand hier deponiert.«
    Raupach machte die nächste Kiste auf. »Und die hier?«
    »Die Boulekugeln werden demnächst abgeholt. Alle. Für ein Turnier.«
    »Wenn Sie mir nichts verkaufen wollen …«
    Sie baute sich vor ihm auf. »Was für ein Bulle sind Sie eigentlich?«
    »Wie?«
    »Haben Sie ein Hörproblem?«
    »Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen.«
    »Der Tütentünn meinte, Sie wären einer von den Wichtigen. Betont harmlos, aber durchtrieben, ich müsste auf alles gefasst sein. Stimmt das?«
    »Mit Ihrer Erlaubnis füge ich das in meinen Lebenslauf ein.«
    Die Havemann verzog keine Miene. »Humor haben Sie auch?«
    »Behalten Sie’s besser für sich.«
    »Mit dummen Sprüchen werden Sie bei diesem Fall nicht weit kommen.«
    »Otto Wintrich?«
    »Daran werden Sie zu knabbern haben.«
    »Sie klingen wie der Polizeipräsident.«
    »Den mögen Sie wohl nicht?«, fragte sie.
    »Ist er ein Verwandter von Ihnen?«
    »Noch mal: Sind Sie ein anständiger Bulle oder ein ekliger?«
    Schritte in seinem Rücken, der Parkettboden knackte. Raupach fuhr herum.
    »Das hab ich mich auch schon gefragt«, sagte Photini.
     
    DIE JUNGE KOMMISSARIN war lautlos um die Ecke gebogen. Sie hielt ihren Dienstausweis hoch, um sich lange Erklärungen zu ersparen, und sah sich erstaunt um. In der Nähe von Kalamata kannte sie ein Eisenwarengeschäft, das sich zu einem ähnlichen Labyrinth ausgewachsen hatte wie dieser Laden. Man brauchte eine Brotkrumenspur, um wieder herauszufinden.
    Die Havemann, kleiner, aber breiter als die Polizistin und mit der Erfahrung eines langen, windungsreichen Lebens, ließ sich nicht aus der Fassung bringen. »Also? Ist er anständig oder eklig?«
    »Wenn jemand von sich behauptet, er sei anständig, würde ich immer vom Gegenteil ausgehen«, erwiderte Photini. »Und eklig? Müssen alle Bullen hin und wieder sein, das ist kein Kriterium.«
    »Ihre Verstärkung?«, wollte die alte Frau von Raupach wissen.
    »Bei einem Gesinnungstest schneide ich noch schlechter ab«, erwiderte Photini. »Warum interessiert Sie das überhaupt?«
    »Ich mag mich nicht mehr mit Mistkerlen abgeben, dafür bin ich zu alt.«
    »Dann kann ich Sie beruhigen. Er ist ein bisschen verletzend und verbohrt, aber alles nur privat. Beruflich hält er sich für einen Steinewälzer.«
    Die Havemann maß die beiden, als wollten sie ihr einen Staubsauger andrehen. Davon hatte sie schon 24 Stück. »Steine«, sagte sie, strich über die Boulekugeln und klappte die Kiste zu, »Steine müssen bewegt werden. Manche Menschen wollen unerschütterlich sein, undurchdringlich. Das führt nur zu Hass und Gewalt.«
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich jetzt wieder zum offiziellen Teil übergehen.« Raupach nickte Photini zu. Sie schien den richtigen Ton getroffen zu haben. »Warum glauben Sie, dass die Ermittlung schwierig wird?«
    »Da muss ich weiter ausholen.«
    »Tun Sie sich keinen Zwang an.«
    »Otto Wintrich hat mir den größten Teil seines alten Hausstands verkauft. Die übliche Sammlung von Industriemöbeln und Küchenartikeln, nichts, was Ihnen weiterhelfen könnte. Dinge, auf die man leichten Herzens verzichtet, wenn man einen Schnitt macht und mit jemandem zusammenzieht.«
    »Wann war das?«, fragte Raupach.
    »Vor einem Jahr. Damals saß er oft vorn bei mir, an der Gästetafel, erzählte von seiner Freundin Vera und seiner neuen Familie. Er war überzeugt, das große Los gezogen zu haben. Otto hat lange Zeit allein gelebt. Er dachte, niemand wollte ihn mehr haben.«
    »Kann ich mir vorstellen.« Photini begutachtete einen Tennisschläger aus Holz und holte damit aus. Sie nahm gern etwas in die Hand, wenn Emotionen ins Spiel kamen, irgendeinen Gegenstand, je schwerer und ungewohnter, desto besser.
    Raupach wich zurück, um nicht von ihr getroffen zu werden. »Was wissen Sie über Otto Wintrichs Beziehung?«
    »Das müssen Sie Vera Bahling fragen. Ich bin kein Klatschmaul.«
    »Es geht um Mord, Polly.« Testweise benutzte er den Vornamen.
    »Weiß ich, Klemens. Trotzdem wäge ich ab, was ich Ihnen sage oder verschweige.« Die Havemann ging weiter zur Spielwarenabteilung. Blechaffen, Bauklötze, Tretautos, Drachen. Sie hatte keine Kinder und erst recht

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